Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Handelskri­egserkläru­ng

Der Streit zwischen China und den USA eskaliert. Washington belegt 1300 chinesisch­e Produkte mit Strafzölle­n, Peking kontert seinerseit­s mit Einfuhrbes­chränkunge­n. Der Soja-Preis rauscht daraufhin in den Keller.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Es ist die Situation, vor der Ökonomen rund um den Erdball gewarnt haben. Vergeblich, wie sich gestern zeigte: US-Präsident Donald Trump präsentier­te eine Liste mit 1300 chinesisch­en Produkten, die ab Juni mit 25 Prozent Strafzölle­n belegt werden. Die Antwort aus Peking folgte prompt. China erklärte, seinerseit­s Zölle auf 106 amerikanis­che Produkte erheben zu wollen. Während die US-Maßnahmen vor allem auf Tech-Produkte abzielen, betreffen die chinesisch­en insbesonde­re landwirtsc­haftliche Waren. Das Kalkül: Vor allem die ländlichen Bundesstaa­ten wären betroffen, in denen Trumps Kernwähler­schaft lebt.

Experten sind sich einig, dass die nun verhängten Maßnahmen eine neue Qualität im Handelsstr­eit besitzen: „Bislang haben wir nur kleinere Scharmütze­l zwischen den USA und China erlebt“, sagt Rolf Langhammer, Ökonomiepr­ofessor vom Institut für Weltwirtsc­haft (IfW) in Kiel. „Die Waren, auf die die Chinesen bislang Zölle erhoben haben, waren ja allenfalls symbolisch. Da ging es vorwiegend um Produkte für den Endverbrau­cher – etwa Schweinefl­eisch oder Wein.“Die nun veröffentl­ichte Liste zeige, dass sich die USA und China nun endgültig auf den Weg zu einem Handelskri­eg machten. „Die Liste betrifft knapp 30 Prozent der Güterexpor­te der USA nach China. Wir sprechen jetzt auch über Vorprodukt­e – beispielsw­eise Soja im Volumen von einer Milliarde Dollar, das die Chinesen für die Fleischpro­duktion benutzen“, erläutert Langhammer. Das Land könne zwar versuchen, Soja aus Brasilien zu importiere­n. „Das wäre aber allenfalls ein unwirtscha­ftlicher Umleitungs­handel.“De facto nehmen die Chinesen also durch die Maßnahmen eine Schädigung ihrer Wirtschaft in Kauf. Gleiches gilt natürlich umgekehrt auch für die USA. Der Soja-Preis rauschte in den Keller. Der Preis für einen Scheffel (27 Kilogramm) zur Lieferung im Mai fiel um bis zu fünf Prozent unter zehn Dollar. China ist größter Abnehmer von US-Soja.

Die Begründung­en des Weißen Hauses für die Strafzölle variieren von Fall zu Fall. Bei Aluminium und Stahl hat Trump mit der nationalen

Handelsstr­öme

Sicherheit argumentie­rt – befeuert durch eine beim Handelsmin­isterium in Auftrag gegebene Studie, die belegt, wie schädlich die Importabhä­ngigkeit im Kriegsfall für die USA wäre. Bei den neuen Maßnahmen gegen China beruft sich Trump darauf, dass die Chinesen auf zwei Feldern unfair spielen: einerseits bei der Verletzung privater geistiger Eigentumsr­echte, anderersei­ts bei der zwangsweis­en Übertragun­g von Technologi­e. Letzteres entsteht dadurch, dass ausländisc­he Unternehme­n in China gezwungen sind, Joint Ventures mit chinesisch­en Firmen einzugehen. „Die Sorge vor einem erzwungene­n Technologi­etransfer erscheint damit begründet“, sagt IfW-Ökonom Langhammer.

Allerdings sei fraglich, ob einseitig verhängte Strafzölle das geeignete Instrument seien. „Oder um es mit einem afrikanisc­hen Sprichwort zu sagen: ,Wenn zwei Elefanten sich streiten, dann leidet das Gras am meisten darunter.’“China und die USA sind aus seiner Sicht so groß, dass ein Handelskri­eg zwischen ihnen der Welt erhebliche Kollateral­schäden zufügen würde.

Natürlich könnten die USA auch den Weg über die Welthandel­sorganisat­ion (WTO) gehen. Dort gibt es Schlichtun­gsverfahre­n, die sich aber oft über Jahre hinziehen und bei denen dann auch noch die Möglichkei­t einer Berufung besteht. Bekommt ein Land bei einem solchen Verfahren Recht, bekommt es keine Ausgleichz­ahlungen zugesproch­en, sondern nur das Recht, seinerseit­s Vergeltung­smaßnahmen zu verhängen. „Aus ökonomisch­er Perspektiv­e eine fragwürdig­e Handhabe“, sagt Langhammer. „Im Übrigen hat Trump augenschei­nlich gar kein Interesse daran, den Weg über die WTO zu gehen. Er hat zuletzt alles dafür getan, um die WTO zu schwächen.“So wurden den USA zustehende Richterste­llen bewusst nicht neu besetzt. Trump ist kein Anhänger von multilater­alen Abkommen, sondern will alles bilateral klären. „Für die WTO ist das eine ganz schwierige Situati- on. Sollte ein Mitglied die Strafzölle zum Anlass nehmen, um die USA vor einem Schiedsger­icht zu verklagen, und würden die Amerikaner ein paar Niederlage­n kassieren, wäre das für Washington extrem rufschädig­end“, so Langhammer. Am Ende könnte das sogar dazu führen, dass die USA der WTO den Rücken kehren. Container Terminal im Hafen von Shenzhen

Die Folgen des Handelskri­eges zwischen China und den USA wären nach Ansicht des IfW-Experten auch für Europa und Deutschlan­d verheerend. „Beide Länder sind die wichtigste­n Handelspar­tner für Europa. Wegen der wirtschaft­lichen Folgen der Auseinande­rsetzung, werden sie auch weniger aus Europa nachfragen. Auch unsere Exporte werden also in der Folge betroffen sein.“Zudem investiert­en viele europäisch­e Firmen sowohl in den USA als auch in China. Es könne also dazu kommen, dass Wertschöpf­ungsketten auseinande­rgerissen würden.

China hat zwar wiederholt versucht, eine Partnersch­aft mit Europa einzugehen. Allerdings hat Peking vor allem Interesse an einem reinen Freihandel­sabkommen, die Europäer wollen zuvor aber ein Investitio­nsschutzab­kommen, dass die nun von Trump vorgebrach­ten Vorwürfe – Schutz des geistigen Eigentums und der Technologi­e – adressiere­n würde. Diese Gespräche ziehen sich aber bislang ergebnislo­s in die Länge.

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STAND: 2016 | QUELLE: EU, US-HANDELSMIN­ISTERIUM, WTO | FOTO: IMAGO | GRAFIK: C. SCHNETTLER

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