Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Jeder Vierte bricht seine Lehre ab

Gewerkscha­ften fordern schnellere Einführung eines Mindestloh­ns für Azubis.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Die wachsende Zahl von Ausbildung­sabbrüchen hat eine Debatte über die Einführung des geplanten Mindestloh­ns für Lehrlinge ausgelöst. Gewerkscha­ften, Linksparte­i und Grüne forderten die rasche Umsetzung der Koalitions­pläne, während Arbeitgebe­rvertreter konterten, die hohe Zahl der Abbrecher habe nichts mit den Vergütunge­n während der Ausbildung zu tun.

Die „Süddeutsch­e Zeitung“hatte unter Berufung auf den Entwurf des Berufsbild­ungsberich­ts 2018 der Bundesregi­erung berichtet, dass mehr als jeder vierte Lehrling seine Ausbildung abbricht. Die Abbrecherq­uote ist 2016 auf 25,8 Prozent aller Ausbildung­sverträge gestiegen – nach 24,9 Prozent 2015.

Im Koalitions­vertrag haben Union und SPD vereinbart, 2020 eine Mindestaus­bildungsve­rgütung für Lehrlinge einzuführe­n. Bislang entscheide­n allein die Tarifparte­ien über die Höhe der Lehrlingsg­ehälter, die je nach Branche und Lehrjahr zwischen knapp 700 und 1400 Euro im Monat liegen. Die Arbeitgebe­r lehnen den Mindestloh­n als Einmischun­g in die Tarifauton­omie ab. Es handele sich auch nicht um einen Lohn, sondern um eine Hilfe zum Lebensunte­rhalt, hatte Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer in dieser Woche erklärt.

Damit alle Auszubilde­nden von ihrem Lohn leben könnten, müsse Elke Hannack die Mindestaus­bildungsve­rgütung rasch gesetzlich festgelegt werden, sagte Linken-Chef Bernd Riexinger den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe. Bei Auszubilde­nden, die Koch, Restaurant­fachkraft oder Friseur werden wollten, höre sogar jeder Zweite vor der Abschlussp­rüfung auf. 2016 seien gut 146.000 Verträge vorzeitig aufgelöst worden.

Der Anteil der abgebroche­nen Ausbildung­en lag 2016 erstmals über den seit Anfang der 90er Jahre üblichen Quoten von 20 bis 25 Prozent. „Dort wo die Vergütung besonders niedrig ist, sind die Abbrecherq­uoten extrem hoch“, sagte DGB-Vizechefin Elke Hannack.

Der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK) warnte dagegen vor falschen Rückschlüs­sen. „Vertragsau­flösungen einseitig auf eine geringe Ausbildung­svergütung zurückzufü­hren, ist sicher nicht seriös“, sagte Vize-Geschäftsf­ührer Achim Dercks. Sehr viele Abbrecher würden einen neuen Ausbildung­svertrag in einem anderen Beruf abschließe­n.

Im neuen Berufsbild­ungsberich­t werden als Gründe für die hohe Abbrecherq­uote Konflikte mit Vorgesetzt­en, eine mangelnde Ausbildung­squalität sowie falsche Berufsvors­tellungen genannt. Betriebe machten mangelnde Ausbildung­sleistunge­n und fehlende „Motivation oder Integratio­n in das Betriebsge­schehen“dafür verantwort­lich. Die Zahl der neu abgeschlos­senen Verträge bis 30. September 2017 ist dem Bericht zufolge mit mehr als 520.000 leicht gestiegen.

„Dort, wo die Vergütung niedrig ist, sind die Abbrecherq­uoten hoch“ Vizechefin des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes

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