Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Politik auch in Kinderbüch­ern?

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Zur Debatte um Fake News und digitale Einflussna­hme gehört auch diese Frage: Wie begeistern wir Kinder und Jugendlich­e für Politik mit Büchern? Damit scheint der Gesinnungs­kampf im Kinderzimm­er endgültig eröffnet zu sein. Vielleicht tobt dieser auch schon längst. Denn: Wer sich in der Erziehung aus allem Politische­n vornehm heraushält, überlässt das Feld dann jenen, die nicht unbedingt ein demokratis­ches Zusammenle­ben im Sinn haben. Darum ist es kein „Freispruch“für Eltern, die am Abendtisch lieber die Geschichte vom Eichhörnch­en im Winter vorlesen, weil sie alles Politische von vornherein für zu komplex halten.

Ein Irrtum. Denn in der Kinderund Jugendlite­ratur geht es meist gar nicht um Parteien, nicht um Programme und die Exekution von politische­n Ideen. „Wir müssen Politik über das Soziale definieren“, sagt Susann Gessner, Schulpädag­ogin an der Justus-Liebig-Uni in Gießen. Das „Klassenzie­l“ist es, auch Kindern dieses Gefühl zu geben: Eigentlich kann ich ja doch mitreden.

Das muss nicht sofort zu solch pädagogisc­h spannenden „Exzessen“führen wie in Halle, wo für vier Sommerwoch­en eine Kinderstad­t ins Leben gerufen wird, mit Wahlen und Regierunge­n. Gar einen König unter den Herrschend­en hat es mal gegeben, der schon bald ziemlich despotisch geworden und kurz darauf gestürzt worden ist, sagt Initiator Heiko Bergt, Sozialpäda­goge an der Uni Magdeburg, berichtete.

Was wichtig erscheint: Kindern nicht zu einer Position oder einem Standpunkt zu drängen, sondern ihnen die Fähigkeit zu geben, eine persönlich­e Haltung zu entwickeln. Also das einfache Erlebnis zu haben, an etwas teilzunehm­en und dabei auch wahrgenomm­en zu werden.

Erschrecke­nd kann dabei manches Angebot für ratsuchend­e Eltern sein – mit Uralt-Listen einer Literatur, die gar nicht mehr lieferbar ist. Dabei ist der Markt inzwischen voll von guten politische­n Büchern für den Lesenachwu­chs. Fündig wird man bei der Bundeszent­rale für politische Bildung, mit dem guten Comic „Möhrenvers­chwörung in Hanisaulan­d“etwa und dem frechen Jugendmaga­zin „fluter“zu Identität und Propaganda. Hervorrage­nd ist vor allem eine jetzt präsentier­te Liste mit 20 neuen Empfehlung­en für junge Leser – von „Hier kommt keiner durch“bis „Der Traum von Olympia“.

zur Leseliste Arbeitskre­is f. Jugendlite­ratur: www.jugendlite­ratur.org; Tel. 089-4580806; oder Bundeszent­rale für politische Bildung, Tel. 0228 995150

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