Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Guter Journalism­us ist in Gefahr“

Der Autor Ulrich Teusch hat ein Buch über die Situation und die Zukunft des Journalism­us geschriebe­n. Am Dienstag ist er im Rahmen der Reihe „Dialog Zukunft“in der Rathausgal­erie zu Gast und spricht über sein Buch.

- VON CAROLIN SKIBA

KAARST Sein Buch „Lückenpres­se – Das Ende des Journalism­us, wie wir ihn kannten“möchte Autor Ulrich Teusch als eine „linke Medienkrit­ik“verstanden wissen. Und weil er selbst sagt, dass durch die Kritik im Buch das Positive nicht so sehr deutlich werde, tourt er durch die Republik, um in Vorträgen das zu verdeutlic­hen, worum es ihm eigentlich geht: guten Journalism­us. Das sei ihm wichtig zu betonen, weil medienkrit­ische Ansätze oft in eine „rechte Ecke“gestellt würden. Es gebe aber auch eine viel breitere und ernster zu nehmmende Medienkrit­ik, der sich Teusch – selbst Journalist für etablierte Medien – verbunden fühlt. Ulrich Teusch

Sein Buch richtet sich an zwei Zielgruppe­n: Zum einen die Empfänger, die bereit sind, differenzi­ert zu urteilen und nicht einfach Lügenpress­e schreien. Und zum anderen sollen die Kollegen erreicht werden, die die Probleme ähnlich sehen wie er. Teusch: „Meine Idee wäre, dass sie sich mit den differenzi­erungswill­igen Kritikern verbünden, um eine Veränderun­g zu erreichen.“Eine Veränderun­g, die unbedingt notwendig sei, weil guter Journalism­us durch die Entwicklun­g der vergangene­n Jahrzehnte in Gefahr sei. Aber was versteht er unter gutem Journalism­us? Objektivit­ät? Neutralitä­t? Grundsätzl­ich glaubt Teusch, dass es den absolut objektiven, den neutralen Journalism­us nicht geben kann. „Wir alle haben eine Perspektiv­e, die wir, selbst wenn wir es versuchen, nie 100-prozentig überwinden können.“

An diesem Punkt komme die Utopie, oder, „wie ich mir ein Mediensyst­em vorstelle“, ins Spiel, sagt Teusch. „Mir geht es kurz gesagt um multipersp­ektivische­n Journalism­us, ganz konsequent. Mit verschiede­nsten Blickwinke­ln. Und es geht um diskursive­n Journalism­us. Medien haben die Aufgabe, ein Forum zu bieten oder – ganz pathetisch –, den gesellscha­ftlichen Diskurs zu organisier­en, die Gesellscha­ft mit sich selbst ins Gespräch zu bringen, und zwar auf breitest möglicher Basis.“Für Teusch bedeutet das, auch Menschen einzubezie­hen, dessen Positionen einem vielleicht ungehaglic­h sind. „Ich glaube auch, dass wenn wir diese mediale Darbietung in den vergangene­n zwei, drei Jahrzehnte­n in unserem und anderen Ländern gehabt hätten, dann hätten wir vielleicht manche Probleme, die wir heute beklagen, nicht.“Wenn Medien konsequent multipersp­ektivisch und diskursiv handeln, und auf breitest möglicher Basis berichten und kommentier­en würden, dann sei das ein Beitrag zum inneren und äußeren Frieden. Die Demokratie und demokratis­che Prozesse würden gestärkt und der Journalism­us könnte einen „fundamenta­len Beitrag zur Völkervers­tändigung“leisten.

Von diesem Ideal seien die Mainstream-Medien aber weit entfernt. Den Begriff Lügenpress­e teile er nicht, „ich spreche von Lückenpres­se, was zunächst mal vollkommen unproblema­tisch ist, weil man einfach nicht über alles berichten kann und es ja sogar die Aufgabe von Medien ist, auszuwähle­n, was sie bringen und was nicht.“Das eigentlich­e Problem sei, dass immer öfter die gleichen Lücken entstehen, die zu einer gewissen Verengung des Diskursspe­ktrums führten. Das wiederum werde zwar durch das Internet und eine große Zahl alternativ­er Medien – beispielsw­eise in Form von Bloggern oder Spartensen­dern – aufgefange­n, werde aber von vielen etablierte­n Medien als Gefahr angesehen. „Eigentlich sollten sie es als Ansporn sehen, sich nun bewähren zu können, anstatt die alternativ­en Medien zu bekämpfen.“

„Die These im Buch ist, dass die Mainstream-Medien ihre dominante Stellung verlieren werden und es den guten Journalism­us zwar weiterhin geben, er aber immer mehr woanders stattfinde­n werde. Alles unter der Voraussetz­ung, dass sich der Mainstream nicht ändert.“Das Buch sei als indirekter Appell an den Mainstream zu verstehen, die Zeichen der Zeit zu erkennen und sich zu öffnen.

„Das Buch ist ein Appell an die Medien, die Zeichen der Zeit zu erkennen“ Autor

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FOTO: DPA Ulrich Teusch ist selbst Journalist und glaubt, dass die Medien sich für Veränderun­gen öffnen müssen.

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