Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Merkels verlorener Einfluss

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Angela Merkel hat es einmal so gesagt: „Jeder, der militärisc­hes Handeln auch als letztes Mittel ausschließ­t, schwächt den Druck, der auf Diktatoren ausgeübt werden muss, und macht Krieg nicht unwahrsche­inlicher, sondern wahrschein­licher.“Das ist lange her. Es war das Jahr 2003. Es ging um ein militärisc­hes Eingreifen im Irak, der nach – wie sich später herausstel­lte falschen – Berichten der USA Massenvern­ichtungswa­ffen eingesetzt haben sollte. Merkel war damals Opposition­sführerin und Gerhard Schröder (SPD) Bundeskanz­ler. Sie hatte sich damit nicht für den Krieg ausgesproc­hen, sondern dafür, Druckmitte­l nicht aus der Hand zu geben. Schröder hingegen lehnte die deutsche Beteiligun­g kompromiss­los ab.

Die große Mehrheit der Deutschen ist bis heute froh, dass die Bundesrepu­blik nicht Teil der „Koalition der Willigen“im Irak-Krieg wurde. So wie auch die meisten Bürger den Afghanista­n-Einsatz für falsch halten und Kampfeinsä­tze der Bundeswehr generell ablehnen. Und so ist das gestern veröffentl­ichte ZDF-Politbarom­eter auch keine Überraschu­ng: Eine deutsche Beteiligun­g an einem möglichen Militärsch­lag von den USA, Frankreich und Großbritan­nien als Reaktion auf den Giftgasang­riff im syrischen Rebellenge­biet lehnen 78 Prozent der Bürger ab. Und 58 Prozent befürchten, dass ein Eingreifen westlicher Verbündete­r die Lage in Syrien weiter zuspitzen könnte.

Heute macht die langjährig­e Bundeskanz­lerin schnell und deutlich klar: Deutschlan­d wird sich an einem etwaigen Militärsch­lag nicht beteiligen. Mögen die Bilder der verletzten Kinder auch noch so schrecklic­h und das Leid der Menschen noch so groß sein. Aus Deutschlan­d wird es keinen militärisc­hen Druck auf den syrischen Machthaber Baschar al Assad ge- ben. Das ist eine so schwierige wie richtige Position. Richtig, weil Deutschlan­d aufgrund seiner Geschichte eine Kultur der militärisc­hen Zurückhalt­ung vertreten sollte und Kriegsbete­iligungen immer auch zu Tod und Verderben führen. Schwierig ist es, weil die Erwartunge­n, vor allem in Europa, an das durch die Wiedervere­inigung stark und stabil gewordene Deutschlan­d groß sind. Und, weil Spitzenpol­itiker von Union und SPD, allen voran Merkel, immer wieder sagen, dass Europa selbstbewu­sster und unabhängig­er werden müsse. Das gilt dann aber auch militärisc­h. Die Zei- ten, in denen die USA als Weltpolizi­st auftrat, gehen zu Ende. Zum einen will US-Präsident Donald Trump diese Rolle gar nicht ausfüllen, zum anderen ist er seriös dazu gar nicht in der Lage, wie gerade der Syrienkonf­likt in diesen Tagen wieder zeigt. Viele haben den Atem angehalten, als Trump Russland per Twitter „schöne, neue und smarte“Raketen auf Syrien ankündigte und empfahl, sich „bereit zu machen“. Dann twitterte er wieder: „Es könnte sehr bald sein oder überhaupt nicht so bald.“

Eine direkte Konfrontat­ion zwischen den USA und Russland in Sy- rien könnte einen Flächenbra­nd auslösen. Es geht hier um die Geschichte von Mord und Trauer, Flucht und Sehnsucht, Lüge und Hoffnung, von Giftgas, roten Linien, Wegsehen, Zuschlagen und Angst. Sie begann vor sieben Jahren mit einem Bürgerkrie­g in einer hochexplos­iven Region, in der Saudi-Arabien und der Iran ihre Stellungen stärken, die einen mit Hilfe der USA, die anderen mit der Unterstütz­ung Russlands. Sie handelt von dem so studierten wie grausamen Machthaber Baschar al Assad in Damaskus, der sein Land zerstört und Menschen umbringen lässt. Und

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FOTO: AP Angela Merkels Ruf als internatio­nale Krisenmana­gerin hat gelitten. Auch, weil sie über Monate nicht auf der Weltbühne präsent war.

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