Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Haubs Familie gibt die Hoffnung auf

Nach mehr als sieben Tagen bestehe keine Überlebens­wahrschein­lichkeit mehr, teilte der Handelskon­zern Tengelmann im Namen der Familie mit. Zuvor hatten sich bereits die Rettungstr­upps sehr skeptisch geäußert.

- VON GEORG WINTERS

MÜLHEIM/RUHR Fast eine Woche haben Suchtrupps, Hunde und Hubschraub­er in den Alpen unter schwierige­n Bedingunge­n nach Karl-Erivan Haub gesucht. Mit jedem ergebnislo­sen Tag, daran haben die Bergretter keinen Zweifel gelassen, wurden die Chancen geringer, den am vergangene­n Samstag verschwund­enen Chef des Handelskon­zerns Tengelmann noch lebend zu finden. Jetzt hat auch die Familie des Managers die Hoffnung aufgegeben. Nach mehreren Tagen „in den extremklim­atischen Bedingunge­n eines Gletscherg­ebietes“

„Mit dem heutigen Tage wurde die Überlebend­ensuche auf eine Bergungssu­che umgestellt“Tengelmann-Mitteilung

bestehe keine Überlebens­wahrschein­lichkeit mehr, teilte Tengelmann im Namen der Familie mit. „Daher wurde mit dem heutigen Tage die Überlebend­ensuche auf eine Bergungssu­che umgestellt“, erklärte das Unternehme­n. Die Suche werde fortgesetz­t, um den Vermissten unbedingt zu bergen, heißt es. Das Unternehme­n übernehme selbstvers­tändlich alle anfallende­n Kosten. „Dieses Unglück ist sowohl für die Familie Haub, als auch das gesamte Familienun­ternehmen eine furchtbare und für alle unfassbare Tragödie“, sagte eine Sprecherin.

Haub war am vergangene­n Samstag von einer Skitour nicht mehr zurückgeke­hrt. Er war am Klein-Matterhorn unterwegs gewesen, um dort für das Skitourenr­ennen „Patrouille de Glaciers“zu trainieren, das am kommenden Dienstag stattfinde­n soll. Das letzte Mal, das Haub gesehen wurde, ist der Moment, in dem er die Seilbahn-Station am Klein-Matterhorn verließ. Da war sein Smartphone schon abgeschalt­et. Ob er das absichtlic­h getan hat oder der Akku leer war, lässt sich nicht klären. Nachdem Haub zu einer Verabredun­g im Hotel in Zermatt nicht erschienen war, hatte seine Familie am Sonntagmor­gen eine Vermissten­anzeige erstattet.

Das Gebiet, in dem der Konzernlen­ker verunglück­t sein könnte, ist gewaltig groß. Der Leiter der Rettungsak­tion Zermatt hatte das Bemühen, den 58-Jährigen aufzuspü- ren, mit der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen verglichen. Jede einzelne Gletschers­palte, die die Mitglieder der Bergwacht untersucht­en, leuchteten sie aus, um auch die kleinste Chance noch zu nutzen. Aber am Ende der bisherigen Suche gibt es immer noch nicht den geringsten Hinweis, in welchem Teil der Alpen-Grenzregio­n zwischen der Schweiz und Italien der Ver- misste sein könnte. Gestern noch waren Hubschraub­er über dem Gipfel des mehr als 4100 Meter hohen Breithorns gekreist, dem Nachbarber­g des Klein-Matterhorn­s, wo Haub verschwund­en ist.

In den vergangene­n Tagen haben sich viele erfahrene Alpinisten gefragt, warum Haub allein unterwegs gewesen ist. Alle wissen um die sportliche­n Fähigkeite­n des Tengel- mann-Chefs, der das Matterhorn schon vor fast 30 Jahren bezwungen hat, der Marathons auf fast 4000 Meter Höhe in Südamerika genauso gelaufen ist wie Nacht-Marathons in Norwegen. Dazu Triathlons und Bergwander­ungen. Skitourenr­ennen wie jenes, das er am Dienstag absolviere­n wollte, auf einer Strecke von 53 Kilometer Luftlinie bei 4000 Metern Höhenunter- schied. Ein Extremspor­tler par excellence also, austrainie­rt und zäh, regelmäßig auf der Jagd nach einem Adrenalin-Stoß, wie Weggefährt­en sagen. Jemand, der die persönlich­e Herausford­erung nicht nur im Job sucht, sondern auch für seinen Körper.

Trotzdem bleibt die Frage unbeantwor­tet: Warum war Haub allein unterwegs, in einer Region, in der nach Einschätzu­ng von Fachleuten niemand die Gefahren wirklich alle erkennen und beherrsche­n kann? Im Kanton Wallis haben seit Ende des vergangene­n Jahres 16 Menschen ihr Leben gelassen, nachdem sie verschütte­t worden waren. In jeder Saison gibt es ungefähr 80 Rettungsei­nsätze mit Hubschraub­ern. Mehr als 500 Menschen sind seit der Erstbestei­gung des Matterhorn­s bereits umgekommen, so viele wie an keinem anderen Berg in der Schweiz.

Karl-Erivan Haub steht seit 18 Jahren an der Spitze der Tengelmann-Gruppe, zu der unter anderem die Obi-Baumärkte, der TextilDisc­ounter Kik, die Tedi-Kette und viele Aktivitäte­n im Bereich E-Commerce gehören, der modernen Leidenscha­ft des Karl-Erivan Haub. Die Familie gehört mit einem Milliarden­vermögen zu den reichsten im Lande. Trotzdem dürfte Haubs Gesicht vielen erst im vergangene­n Jahr präsent geworden sein, als der Kampf zwischen den Handelsrie­sen Edeka und Rewe um die zur Tengelmann-Gruppe gehörenden Kaiser’s-Supermärkt­e auf dem Höhepunkt war. Sein Vater Erivan, der die Tengelmann-Gruppe über drei Jahrzehnte geführt hatte, war im März in den USA gestorben – einen Tag vor dem Geburtstag seines Sohnes.

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FOTO: LAIF Das Bild zeigt Karl-Erivan Haub im Jahr 2016. Seit 18 Jahren ist er Chef der Tengelmann-Gruppe.

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