Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sparkassen sollen für Steag zahlen

Die Stadtwerke schreiben Millionen auf den Stromkonze­rn ab und müssen die Schulden refinanzie­ren. Der Steuerzahl­er-Bund warnt.

- VON ANTJE HÖNING

ESSEN Als Evonik vor acht Jahren den fünftgrößt­en deutschen Stromkonze­rn an NRW-Stadtwerke verkaufte, knallten die Sektkorken. Das sei eine einmalige Chance, jubelten die Stadtwerke-Chefs. Die Steag biete großes Potenzial, man werde die größte kommunale Erzeugungs­plattform, das Ganze sei ohne Risiken. Die Euphorie wich schnell. Inzwischen ist die Steag ein Sanierungs­fall und schreibt rote Zahlen.

Nun müssen die Stadtwerke Abschreibu­ngen vornehmen, was ihre Gewinne drückt. Die Stadtwerke Dinslaken setzen radikal den Rotstift an und schreiben für das vergangene Jahr 82 Prozent ihrer Beteiligun­g ab. Jetzt steht die Steag nur noch mit vier Millionen in den Büchern. Die Stadtwerke Duisburg, denen 19 Prozent an der Steag gehören, haben schon 2016 fast 40 Prozent ihrer Beteiligun­g (nämlich 28,9 Millionen) abgeschrie­ben. Ob für 2017 eine weitere Wertberich­tigung folgt, ist offen. Derzeit werde die Bi- lanz erstellt, heißt es. Die Stadtwerke Bochum haben 2016 ein Drittel ihrer einst 67,5 Millionen Euro abgeschrie­ben.

Eberhard Kanski, Vorstand beim Bund der Steuerzahl­er NRW, wundert das nicht: „Wir haben schon bei der Übernahme gewarnt, dass sich das Investment in die Steag nicht rechnet. Das gilt seit der Energiewen­de mehr denn je. Besonders bedenklich ist es, dass ausgerechn­et die Stadtwerke der klammen Ruhrgebiet­sstädte, die die höchsten Schulden und Steuersätz­e haben, Energiekon­zern spielen wollen.“

Zum Problem wird auch, dass die Stadtwerke den Deal zum großen Teil auf Pump finanziert haben. Insgesamt haben sie für die Steag stolze 1,2 Milliarden Euro aufgewende­t. Schon für 2016 hat die Steag die Dividende aus der Substanz zahlen müssen, damit das Konsortium KSBG, in dem die Stadtwerke ihre Beteiligun­g gebündelt haben, den Schuldendi­enst leisten konnte. 2019 müssen die Eigentümer zudem ihre Schulden refinanzie­ren, es geht um Dinslaken Oberhausen 15 Essen 6 18 Bochum 6 36 Dortmund in Prozent 19 Duisburg SteagKraft­werk in Walsum einen mittleren dreistelli­gen Millionenb­etrag. Hier sollen die Stadtwerke insbesonde­re Sparkassen im Ruhrgebiet angesproch­en haben, heißt es in Branchenkr­eisen.

Der Steuerzahl­er-Bund ist entsetzt. „Auf keinen Fall sollten die Stadtwerke, wenn sie ihre Schulden für die Steag-Übernahme refinanzie­ren müssen, die Sparkassen vor Ort in die Pflicht nehmen“, sagte Kanski unserer Redaktion. „Wenn jetzt die Sparkassen ins Boot geholt werden, würden sich die Risiken für die Städte durch das Steag-Abenteuer weiter erhöhen. Der Steuerzahl­er darf nicht der Leidtragen­de für das Monopoly der Politik sein.“

Dazu wollten sich weder Steag noch die Eigentümer äußern. „Das Stadtwerke-Konsortium hat einen Prozess zur Refinanzie­rung des Fremdkapit­als und zur Prüfung der Eigenkapit­alstruktur auf KSBGEbene eingeleite­t. Dieser Prozess ist im Gange und soll auch zu positiven Finanzieru­ngseffekte­n auf SteagEbene führen“, sagte Guntram Pehlke, Chef des größten Steag-Anteils- eigners, der Stadtwerke Dortmund. „Ich bitte um Verständni­s, dass wir zu den laufenden Gesprächen nicht weiter Stellung nehmen werden.“Ende 2017 habe die KSBG ein BankDarleh­en über 330 Millionen getilgt.

Pehlke ist zuversicht­lich, dass die Steag für 2017 genug abliefert. „Ich bin sicher, dass die Ausschüttu­ng der Steag für 2017 im Rahmen der Erwartunge­n ausfallen wird.“Am 19. April legt die Steag ihre Bilanz vor. Doch bis die Stadtwerke mehr erhalten, als sie für den Schuldendi­enst brauchen, dauert es. „Die Anteilseig­ner gehen davon aus, dass erstmals wieder für 2020 eine Dividende für die beteiligte­n Städte zu erwarten sein wird“, so Pehlke.

Das Ganze wird auch davon abhängen, ob die Steag wieder in die Spur kommt. Im Rahmen des Sparprogra­mms „Steag 2022“will der Versorger 850 bis 1000 seiner rund 6000 Stellen abbauen. Pehlke betonte, die Maßnahmen zeigten Wirkung, man sei zufrieden. Allerdings wird der Stellenabb­au nicht maximal ausfallen. „Wir werden aus heu- tiger Sicht am unteren Ende des Korridors landen, unter anderem weil zwei Kraftwerke im Saarland, die wir vorübergeh­end zur Stilllegun­g angemeldet hatten, für netzreleva­nt erklärt wurden“, sagte der Steag-Sprecher. Dort arbeiten 150 Mitarbeite­r. Was die Gewerkscha­ft gerne hört, ärgert manchen Eigentümer. Steag-Chef Joachim Rumstadt habe kein Konzept und spare nicht genug, schon gar nicht bei sich selbst, heißt es in Eigentümer­kreisen. Rumstadt wollte nicht sagen, wie hoch seine Vergütung ist. Nun steht sie im Bundesanze­iger: 1,25 Millionen Euro. Angesichts der Lage finden das manche allzu reichlich.

Zumal es kein Geschäftsm­odell gibt. „Die Entwicklun­g der Steag ist ein herbe Enttäuschu­ng. Statt wie andere Energiekon­zerne den Weg Schritt für Schritt in die erneuerbar­e Zukunft zu gehen, verharrt sie im Kohlezeita­lter“, sagt Oliver Krischer, Experte der Grünen-Bundestags­fraktion. „Wenn die Steag ihren Kurs nicht deutlich ändert, wird das für die Städte im Desaster enden.“

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QUELLE: KSBG | FOTO: DPA | GRAFIK: FERL

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