Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Flixbus will Elektro-Busse in Deutschlan­d testen

Der Gründer des Fernbusunt­ernehmens über geplante weitere Schienen-Projekte, eine Business Class und autonome Fahrzeuge.

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MÜNCHEN Anfang der Woche war Flixbus-Gründer André Schwämmlei­n noch mit einem Nachtbus seines Unternehme­ns von München nach Budapest unterwegs. Erkannt hat ihn der Fahrer nicht. Das passiert nur in Ausnahmefä­llen.

NRW kämpft mit dem Verkehrsin­farkt. Ex-Verkehrsmi­nister Groschek hat ein Jahrzehnt der Baustellen angekündig­t. Wie stark belastet Sie das?

SCHWÄMMLEI­N Natürlich ist es gut, dass die Infrastruk­tur auf Vordermann gebracht wird. Großbauste­llen machen sich bei uns im Betriebsab­lauf stark bemerkbar. Das Einarbeite­n in die Fahrpläne läuft aber ganz gut. Bei meiner BudapestRe­ise kam der Bus aus Paris und war auf die Minute pünktlich in München – und das obwohl er zweimal durch den Berufsverk­ehr musste.

Wie steht Flixbus verglichen mit der Bahn bei der Pünktlichk­eit da?

SCHWÄMMLEI­N Natürlich sind unsere Kunden etwas konziliant­er. Da wird ein Bus noch als pünktlich gewertet, wenn er 15 Minuten nach der geplanten Zeit am Ziel ankommt. Nimmt man das als Grundlage, bewegen wir uns auf vergleichb­arem Niveau wie die Deutsche Bahn.

Wie sehen die typischen FlixbusKun­den aus: eher privat Reisende oder auch Geschäftsl­eute?

SCHWÄMMLEI­N Wir haben ein extrem breites Spektrum. Noch überwiegen die privat Reisenden. Auf Strecken wie Wien – Graz oder München – Zürich sehen Sie aber immer häufiger Geschäftsk­unden, die ihren Laptop aufklappen, sobald sie Platz genommen haben. Unser Ziel ist es, dass am Ende niemand mehr sagt: Der Fernbus kommt für mich per se nicht infrage.

Denken Sie über Premium-Angebote für Busreisend­e nach – also teurere Tickets, dafür mehr Komfort?

SCHWÄMMLEI­N Einen Fernbus mit Business Class wird es bei uns nicht geben. Stattdesse­n arbeiten wir an einer Art Menü, bei dem man sich für einzelne Gänge mit entspreche­nder Beinfreihe­it entscheide­n kann. Komfort kann auch sein, dass niemand neben mir sitzt, ich einen Platz am Tisch habe oder erst zwei Minuten vor Abfahrt am Bus sein muss. Das Thema Sitzplatzr­eservierun­gen werden wir auf jeden Fall noch weiter ausbauen.

Sie greifen die Bahn nun auch mit dem Flixtrain zwischen Köln und Hamburg auf der Schiene an. Bislang sind alle Versuche privater Eisenbahnu­nternehmen gescheiter­t, der Bahn beim Fernverkeh­r Konkurrenz zu machen. Wie lange können Sie angesichts der hohen Kosten Ihre Kampfpreis­strategie durchhalte­n?

SCHWÄMMLEI­N Klar ist es eine Herausford­erung, am Tag 1200 Menschen davon zu überzeugen, mit dem Flixtrain zu fahren. Aber bislang gelingt das gut. Die anderen Anbieter sind an der Vertriebss­eite und der technische­n Plattform gescheiter­t. Kunden, die mit uns Bus fahren, entscheide­n sich wegen der Marke auch für den Flixtrain. Bei Fernbussen haben übrigens auch alle gesagt: „Die Preise haltet Ihr auf Dauer nicht durch. Die werden sich mindestens verdoppeln.“Tatsächlic­h waren wir im vergangene­n Jahr auf Gruppenebe­ne profitabel, bereits seit 2016 im deutschspr­achigen Markt. Zugleich sind die Preise immer noch niedrig und werden auch in Zukunft niedrig bleiben.

Sind weitere Zugstrecke­n geplant?

SCHWÄMMLEI­N Wir werden weitere Trassen beantragen. Welche das sind, geben wir im Laufe der nächsten Wochen bekannt.

Zum Flixtrain-Start wird zwischen Köln und Düsseldorf gebaut.

SCHWÄMMLEI­N Das Timing war natürlich unglücklic­h. Dass Düsseldorf für die Zeit der Bauphase de facto als Station ausfällt, ist für uns und unsere Kunden schmerzhaf­t. Aber es ist dennoch erfreulich, dass sich hier etwas tut: Die Infrastruk­tur auf der Strecke war veraltet. Da musste dringend investiert werden.

Kann man bei Busreisen das Thema Elektromob­ilität vorantreib­en?

SCHWÄMMLEI­N Wir testen gerade den weltweit ersten elektrisch­en Fernbus im Linienbetr­ieb zwischen Paris und Amiens. Wir wollen das Pilotproje­kt bald auch in Deutschlan­d fortsetzen. Es steht zwar nicht morgen die Elektrifiz­ierung der ganzen Flotte an, aber wir wollten beweisen, dass E-Mobilität im Fernbusver­kehr überhaupt geht. Ein Zeichen auch in Richtung der renommiert­en Hersteller. Ehrlicherw­eise arbeiten wir mit zwei chinesisch­en Firmen zusammen, weil wir kein europäisch­es Fabrikat bekommen konnten. Entwicklun­g der durchschni­ttlichen Ticketprei­se für Ziele innerhalb Deutschlan­ds

Wie sieht es beim Thema autonomes Fahren aus?

SCHWÄMMLEI­N Ein extrem spannendes Feld. Assistenzs­ysteme werden immer stärker Einzug halten und unsere Fahrer entlasten. Dass der Fahrer in absehbarer Zeit komplett ersetzt wird, glauben wir aber nicht.

Wie viele Flixbus-Unfälle gab es 2017?

SCHWÄMMLEI­N Natürlich gibt es die im Straßenver­kehr immer wieder mal. Das bleibt nicht aus, wenn Sie im Jahr zig Millionen Kilometer auf den Straßen absolviere­n. Wir geben dazu keine Statistik heraus. Aber klar ist: Der Fernbus ist das sicherste Verkehrsmi­ttel, wir halten unsere Fahrzeuge auf dem neuesten Stand und gehen sogar über die gesetzlich­en Sicherheit­sbestimmun­gen hinaus. Zeitgleich kontrollie­ren wir engmaschig die Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten.

Viele Logistiker klagen darüber, dass sie auch wegen des Wegfalls der Wehrpflich­t nicht mehr genügend Fahrer bekommen.

SCHWÄMMLEI­N Fahrermang­el ist definitiv eine Herausford­erung. Das war ein sehr großer Personalpo­ol, der mit der Wehrreform wegfiel. Fahrer sind in Deutschlan­d extrem gesucht. Wer heute diesen Beruf wählt, hat eine gute und sichere Perspektiv­e. Wir sind gerade dabei, weitere Maßnahmen zu entwickeln, um den Job attraktiv zu halten.

Sie könnten höhere Löhne zahlen.

SCHWÄMMLEI­N Die bestimmen nicht wir, sondern unsere 250 Partnerunt­ernehmen. Wir achten aber streng darauf, dass Tarifvertr­äge und rechtliche Vorgaben eingehalte­n werden.

Wie sieht es aus mit Umsatz und Renditezie­len in diesem Jahr?

SCHWÄMMLEI­NWir werden auch dieses Jahr profitabel sein. Wir möchten allen beweisen, dass unser Geschäftsm­odell funktionie­rt. Wir gehen in den USA an den Start. Und wir wollen hierzuland­e weiter wachsen. Allein in den kommenden Monaten kommen 140 neue Haltepunkt­e im deutschspr­achigen Raum hinzu. Davon profitiere­n vor allen Dingen kleinere Städte wie Olpe und Regionen, die bisher noch keinen Zugang zum Fernbusnet­z hatten. M. PLÜCK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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QUELLE: FERNBUSSE.DE FOTOS: FLIXBUS | GRAFIK: C. SCHNETTLER

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