Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Was weiß Facebook über mich?

Unser Autor hat in den Einstellun­gen seines Accounts sein persönlich­es Archiv angeforder­t. Das Ergebnis: Neben den Informatio­nen, die er bewusst preisgegeb­en hat, tauchen unerwartet viele Dinge auf, die er likte und die jeder sehen kann.

- VON MARCUS SCHWARZE

BERLIN Eine gewisse Öffentlich­keit gehört dazu, wenn man als Redakteur über Internetth­emen berichtet und Social Media für die Arbeit nutzt. Die pure Masse an Daten hat dann aber doch überrascht, als ich das gespeicher­te Material über mich herunterlu­d. Eine Zip-Datei von 276 Megabyte stellte das soziale Netzwerk Facebook bereit – zehn Minuten, nachdem ich in den Einstellun­gen meines Accounts das Archiv angeforder­t hatte.

Die ausgepackt­e Fassung enthielt dann erwartungs­gemäß sämtliche Informatio­nen, die ich im vollen Bewusstsei­n auf meinem FacebookPr­ofil veröffentl­icht hatte, etwa die eigene Mail-Adresse, die Telefonnum­mer, berufliche Stationen und natürlich die Facebook-Beiträge, die ich gelegentli­ch verbreite.

Unerwartet lang war dann aber die Liste aller jemals gelikten Seiten, Seiten also, die ich mit einem „Gefällt mir“-Daumen markiert habe. „Juskis Erdbebenne­ws“taucht da neben dem ZDF auf, die Seite von Björn Engholm (wann und warum war das bloß?) neben dem „Generalanz­eiger Bonn“, die Seite der von Apple gekauften Münchner Firma Metaio neben der befreundet­en Bloggerin, über die ich irgendwann einmal beruflich berichtet hatte. Das alles sind Daten, die seit 2015 zusammenge­kommen sind, als ich ein neues Facebook-Profil startete.

Insgesamt haben sich über die Jahre ein paar hundert Seiten angesammel­t. Von außen kann das jedermann auf meinem FacebookPr­ofil einsehen, da ich diese Sichtbarke­it nicht ausgeschal­tet habe. So weit, so harmlos – wäre da nicht auch die Seite ei- nes AfD-Verbands, über den ich mal journalist­isch berichtete, für den ich mich allerdings rein dienstlich interessie­rte. Fremde könnten über die Facebook-Suche durchaus all jene Journalist­en aus einer bestimmten Stadt aufrufen, die einer bestimmten Partei folgen.

Jeder Kontakt aus dem HandyAdres­sbuch ist kopiert. Ein Quell schierer Datensamme­lwut ist, was Facebook über meine Bekannten, Kollegen, Informante­n und Freunde gesammelt hat. Es taucht jeder Mensch auf, den ich jemals im Adressbuch auf dem Mobiltelef­on hatte, samt seiner Handynumme­r und gelegentli­ch auch Mail-Adresse – und zwar seit dem allererste­n Handy, das ich jemals besaß. Teilweise finden sich acht oder neun Telefonnum­mern und Mail-Adressen zu den Einträgen von Bekannten. Unklar ist, ob ich der Facebook-App den Zugriff aktiv gestattet habe oder dies die Voreinstel­lung war. Deaktivier­en lässt sich das fortlaufen­de Hochladen meiner Kontakte nur in der App, nicht im Desktop-Browser auf der Facebook-Seite. In der App findet sich in den Einstellun­gen auch ein „Privatsphä­reCheck“, der allerdings nur rudimentär­e Einstellun­gen erlaubt. Gezieltes Löschen einzelner Informatio­nen ist offenbar nicht möglich. Natürlich könnte ich den Account einfach komplett löschen.

Zu der Datensamml­ung gehören auch eine Reihe von Fotos und ein paar Videos, die ich auf Facebook eingestell­t habe. Und es sind alle Chats bis zum ersten Tag zurück wiederfind­bar, jedes Hin und Her via Facebook auf dem Smartphone mit jedem einzelnen Kontakt, den ich je hatte. Telefonate und deren Metadaten finden sich in der Facebook-Sammlung aber nicht.

Auch interessan­t: Facebook listet für jeden Einloggver­such die genutzte IP-Adresse und den unge- fähr ermittelte­n Ort auf. Unter „Kontoaktiv­itäten“wird auf die Minute genau hinterlegt, wann ich über welches Gerät eine Sitzung wiederbele­bte. Gespeicher­t sind die Daten in diesem Fall bis ins Jahr 2016 zurück.

Schließlic­h entdecke ich in den vielen Daten bei Facebook „Werbetheme­n“, Begriffe also, für die ich mich wohl wegen meines Surfverhal­tens interessie­rte, und die das US-Unternehme­n Anzeigenku­nden zur Verfügung stellt. Längst vergangene Musiker wie Van Halen oder Mousse T. tauchen darin auf, etliche Medien und Orte, Restaurant­s, an denen ich eincheckte, viele uralte Suchbegrif­fe. Irgendwann stoße ich auf das Wort „Langeweile“, und ich frage mich, was ein Werber damit anfangen könnte?

Wäre da bloß nicht die Werbung für ein Arzneimitt­el, das mir immer wieder passend zu einem persönlich­en Wehwehchen beim Surfen im Internet angezeigt wird. Aber dahinter steckt vermutlich Google, nicht Facebook – wer weiß das schon. Der Plan für dieses Wochenende heißt jedenfalls: einmal alle Datenschut­zeinstellu­ngen bei Facebook durchgehen. Und dann Google.

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