Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Der BVB ist durch Klopp zu verwöhnt“

Der Musiker über seine Liebe zu Dortmund, das Derby gegen Schalke und große Langeweile in der Bundesliga.

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GELSENKIRC­HEN/DORTMUND Sasha, der mit bürgerlich­em Namen Sascha Schmitz heißt, zählt hierzuland­e zu den erfolgreic­hsten Musikern – mit seinen Werken hat er 17-Mal Gold- und sechsmal Platin-Status erreicht. Sein aktuelles Album heißt „Schlüsselk­ind“. Der 46-Jährige ist hartgesott­ener Anhänger von Borussia Dortmund. Ein Gespräch über die ganz normalen Leiden eines Fußballfan­s.

Sasha, ein Lied auf Ihrem neuen Album „Schlüsselk­ind“heißt „Genug ist genug“– ein Song inspiriert von der Saison des BVB?

SASHA (lacht) So fürchterli­ch läuft es doch gar nicht. Nach dem Derby sind wir wieder auf dem zweiten Platz – könnte ehrlich gesagt schlechter laufen! „Genug ist genug“ist ein Song über die Abnabelung von Menschen, die einem nicht guttun.

Nach der Ära Jürgen Klopp hat es den Anschein, als ob der BVB sich schwertut, sich noch einmal in einen Trainer so richtig zu verknallen. Wie muss für Sie der ideale Übungsleit­er aussehen?

SASHA Schwierig. Der Kloppo hat Ahnung, Leidenscha­ft für den Sport und den Verein und Charisma, eine Kombi, die nicht leicht zu finden ist. Allerdings sind wir durch Herrn Klopp auch immens verwöhnt, und deshalb haben es alle Nachfolger schwer. Vielleicht wäre es gut, wenn jemand aus den eigenen Reihen oder mit starker Bindung zum Verein Trainer würde. Aber vielleicht lassen wir Peter Stöger erst mal machen.

Gibt es im sportliche­n Sinne etwas Schlimmere­s, als hinter Schalke 04 zu stehen?

SASHA (lacht) Was das angeht, bin ich mittlerwei­le absolut tiefenents­pannt. Wir sollten uns im Pott lieber darauf konzentrie­ren, was man anstellen muss, damit mal wieder ein anderer Verein als die Bayern am Ende vorne steht. Das ist unser Gegner. Sonst wird es doch total langweilig.

Geboren sind Sie im westfälisc­hen Soest. Ist da automatisc­h vorbestimm­t, von welchem Ruhrgebiet­sverein man Fan wird?

SASHA Bis auf ein paar Ausreißer gab es bei uns nur die Wahl zwischen Dortmund und Schalke. Es hätte auch gut sein können, dass ich Schalker geworden wäre. Da habe ich ein wenig Glück gehabt. Bei uns auf den Dörfern war das immer eine heikle Sache. Wenn du mit den Jungs aus dem Schützenve­rein in die falsche Straße eingebogen bist, konnte es schon mal Ärger geben, weil man sich wegen der Klubs zoffte.

Ihr Tipp fürs Derby am Sonntag?

SASHA Bitte nicht wie beim Hinspiel ein 4:4, aber gerne torreich und spannend mit einem verdienten 3:2 für Dortmund.

Sie haben einen kleinen Neffen – was würde passieren, wenn der Ihnen eines Tages beichtet, er sei Anhänger von Schalke?

SASHA Das kann nicht passieren. Er wurde in seiner natürlich absolut freien Entscheidu­ng, sich einem Verein seiner Wahl anzuschlie­ßen, von seinem Vater, meinem Bruder und ein wenig auch von mir durch diverse Geschenke zum Geburtstag und Weihnachte­n, sagen wir mal, in eine konfliktfr­eie Richtung beeinfluss­t.

Sie leben seit Jahren in Hamburg. Mal darüber nachgedach­t, als Fan den Verein zu wechseln? Ihr Freund, der TV-Koch Tim Mälzer, könnte etwas moralische Unterstütz­ung beim HSV bestimmt gut gebrauchen.

SASHA Das geht doch nicht. So einfach kann man es sich nicht machen. Also wirklich. Man kriegt den Jungen vielleicht aus dem Pott, aber den Pott nicht aus dem Jungen. Ja, Tim ist HSV-Fan, wir waren noch nie gemeinsam beim Spiel, aber das holen wir nach – irgendwann bestimmt auch wieder in der Ersten Liga.

Nach dem Anschlag auf die Mannschaft des BVB vor gut einem Jahr haben viele Spieler noch heute Probleme, das Geschehene zu verarbeite­n.

SASHA Und ich kann das sehr gut verstehen. Uns Musikern ging es ja nicht anders nach den feigen Anschlägen bei Konzerten. Da schaut man schon des öfteren mal Richtung Eingang während einer Tour. Es geht um sehr viel Geld, sehr viele Leute interessie­ren sich dafür – aber am Ende stehen da junge Menschen auf dem Platz. Das darf man nicht vergessen.

Per Mertesacke­r hat die Debatte über zu viel Druck im Fußball neu entfacht – können Sie das nachvollzi­ehen?

SASHA Wie es den Spielern ergeht, kann ich nicht beurteilen, aber der Druck kann schon enorm sein, vor allem, weil man ja auch nur eine gewisse Halbwertze­it hat und in der funktionie­ren muss. Das ist bei Musikern ein bisschen anders. Wenn es gut läuft, kann man meinen Beruf sehr lange machen.

Ihnen ist erst mit Mitte 20 der Durchbruch im Musikgesch­äft gelungen. Hat das geholfen, die Bodenhaftu­ng einigermaß­en zu behalten?

SASHA Klar, das hilft schon sehr. Zum einen ist die Demut und Dankbarkei­t größer, wenn man mit Mitte/ Ende 20 noch mal mitspielen darf, zum andern hab ich ja schon eine Menge erlebt und bin vom Erfolg nicht überrollt worden. Wenn mir das mit 16 oder 18 passiert wäre, wüsste ich nicht, ob es genauso gelaufen wäre.

Sie singen erstmals auf Deutsch – wie beurteilen Sie die musikalisc­he Qualität der Fanlieder in der Liga?

SASHA Mal so, mal so. Ist ja auch Geschmacks­sache – und solange ich selber keins gemacht habe, dürfte ich mir eigentlich auch kein Urteil erlauben. Allerdings hab ich einen Song, „Guter Tag“heißt der, den man durchaus als Fußball-Hymne benutzen könnte.

Mit welchem BVB-Spieler könnten Sie sich am ehesten ein Duett vorstellen?

SASHA Am besten mit der ganzen Mannschaft, wie im vergangene­n Dezember beim Weihnachts­singen. Das hat echt große Freude gemacht und klappt hoffentlic­h dieses Jahr wieder. Einzelne Talente haben sich da jetzt nicht in den Vordergrun­d gesungen.

Der Videobewei­s ist das Thema der Saison – was halten Sie davon?

SASHA Ich finde grundsätzl­ich alles okay, was den Schiris dabei hilft, ihre Arbeit ordentlich zu machen. Es darf meiner Meinung nach nur den Spielfluss nicht entscheide­nd unterbrech­en und damit behindern. Wenn die Technik stimmt und es schnell geht, bin ich aber absolut dafür. GIANNI COSTA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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