Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Für Kovac ist München die große Chance

- VON ROBERT PETERS

MÜNCHEN/DÜSSELDORF Niko Kovac spricht deutsch. Er ist mit 46 Jahren kein junger Hüpfer mehr. Er kennt den internatio­nalen Fußball aus eigener Anschauung als Spieler und als Nationaltr­ainer Kroatiens. In zwei Jahren hat er aus dem Fast-Absteiger Eintracht Frankfurt einen Kandidaten für die Champions League gemacht. Und er hat schon für den FC Bayern München gespielt.

Das qualifizie­rt ihn offenbar für den Trainerpos­ten in Deutschlan­ds größtem Verein. Gestern bestätigte­n die Bayern, dass Kovac einen Dreijahres­vertrag unterschri­eben habe. „Er kennt die handelnden Personen sowie die Strukturen und die DNA des Klubs sehr gut. Wir sind überzeugt, dass er der richtige Trainer für die Zukunft des FC Bayern ist“, erklärte Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic zunächst im klubeigene­n Fernsehen.

Kovac folgt auf Jupp Heynckes (72), der seinem Freund Uli Hoeneß zuliebe den Ruhestand im niederrhei­nischen Schwalmtal für acht Monate bis zum Saisonende unterbroch­en hat. Er tritt kein leichtes Erbe an, denn Heynckes hinterläss­t zumindest den Meistertit­el als Marke. In der Champions League und im DFB-Pokal stehen die Bayern im Halbfinale. Die Titelausbe­ute könnte noch bedeutend eindrucksv­oller ausfallen. Und Kovac muss zunächst mal mit dem Makel leben, dass er so etwas wie dritte Wahl darstellt. Die Bemühungen um eine Vertragsve­rlängerung von Heynckes liefen ins Leere. Unterdesse­n sagte Thomas Tuchel ab, der ebenfalls ein Kandidat auf den Posten war, weil es bei Paris St. Germain neben Weltklasse im Team auch Weltklasse auf dem Gehaltskon­to geben wird. Und dann gab es nicht mehr viele, die dem Anforderun­gsprofil einigermaß­en entsprache­n.

Kovac wird es nicht irritieren, dass er nicht der erste Ansprechpa­rtner war. Er sieht eher die Chancen, die der Job bietet. Und er hat in seiner Karriere bewiesen, dass er Chancen entschloss­en zu nutzen weiß. Seine Wegbegleit­er beschreibe­n ihn als ehrgeizig und klug. Er hat bereits als Spieler gewusst, an welchem Platz er richtig aufgehoben ist. Seine Lehrjahre als Profi machte das Kind kroatische­r Einwandere­r in seiner Heimatstad­t Berlin bei der Hertha. In Leverkusen und Hamburg bestritt er Champions-League- und Europa-LeagueSpie­le (ja, ja, das ging damals beim HSV). Und mit den Münchnern wurde er deutscher Meister. Als er erkannte, dass die Bayern ihn nicht mehr zum Stammperso­nal zählten, verließ er den Klub.

Eine derartig nüchterne Güterabwäg­ung hat er jetzt wieder betrieben. Vielleicht ist seine Arbeit bei der Eintracht noch nicht vollendet. Aber es ist ganz sicher, dass in dieser Mannschaft nur noch wenig Steigerung­spotenzial steckt. „90 Prozent des Erfolgs sind Niko Kovac“, sagte sein Spieler Kevin-Prince Boateng im Hessischen Rundfunk. In der internatio­nalen Auswahl der Frankfurte­r hat Kovac offenkundi­g den richtigen Ton gefunden. Und es ist nicht zu übersehen, dass die Eintracht längst nicht mehr nur unangenehm ist, weil sie die Gegner nach allen Regeln der taktischen Kunst zu ärgern versteht. Die Eintracht von 2018 spielt auch ansehnlich­en Fußball. Das ist Verdienst des Trainers. Und das hat die Bayern beeindruck­t. Wahrschein­lich hat Kovac keine lange Bedenkzeit benötigt. Den Ruf der Bayern schlägt niemand so leicht aus. Für einen solchen Fall hatte der Trainer in seinem Vertrag in Frankfurt nach Informatio­nen des „Kicker“eine Klausel eingebaut. Sie erlaubt es ihm, für eine Ablösesumm­e von 2,2 Millionen Euro aus seinem bis 2019 laufenden Vertrag auszusteig­en.

Darüber ist in Frankfurt natürlich niemand begeistert. Fans werfen ihm bereits Heuchelei vor, weil er auf Fragen nach seiner Zukunft und nach einem Angebot der Bayern noch in der vergangene­n Woche ge- antwortet hatte: „Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass ich im nächsten Jahr in Frankfurt Trainer bin.“Er ließ sich allerdings die Hintertür weit offen. „Ich weiß nicht, was morgen passiert“, erklärte er, „wenn nichts dazwischen­kommt, werde ich bis 2019 hier arbeiten.“Da wusste er womöglich schon, dass die Bayern mit ihrer Offerte „dazwischen­kommen“würden. Nun muss Kovac, der gerne betont, dass er ein prinzipien­treuer Mensch ist, mit dem Vorwurf leben, zumindest gegen ein Prinzip verstoßen zu haben. Im „Kicker“sagte er Anfang des Jahres: „Inzwischen zählt ein Fünfjahres­vertrag genauso wenig wie ein Halbjahres­vertrag. Das ist sehr bedenklich.“Konrad Adenauer wird der Satz zugeschrie­ben: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden.“Aber Adenauer war ja auch kein Fußballtra­iner, sondern Bundeskanz­ler.

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FOTO: DPA Freundlich­er Herr: Bayerns künftiger Trainer Niko Kovac

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