Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der virtuelle Nowitzki vom Niederrhei­n

Jannis Neumann spielt ab Mai wie der Würzburger für die Dallas Mavericks. Teamkolleg­en werden die beiden jedoch nicht. Neumann ist eSport-Basketball­er und einer von 102 Spielern der neuen virtuellen Basketball-Liga der NBA.

- VON ADRIAN TERHORST

DÜSSELDORF Jannis Neumann saß gerade im Auto und fuhr mit seiner Mutter durch die Eifel, als er im März den entscheide­nden Anruf bekam. Für den 21-Jährigen aus Burlo, nahe Borken, ein Anruf, der sein Leben künftig komplett verändern wird. Ein Mitarbeite­r aus dem NBAOffice in New York war am Apparat. Er wollte Neumann dazu gratuliere­n, dass er bald NBA-Profi wird.

Neumann wird ab Mai für den Nowitzki-Klub, die Dallas Mavericks, auf Korb-Jagd gehen. Virtuell. Neumann ist einer der besten 102 eSport-Basketball­er weltweit. Als einziger Deutscher qualifizie­rte er sich für die neue NBA 2K League, dem eSports-Ableger der amerikanis­chen Basketball-Liga, der im kommenden Monat in seine erste Saison startet. 17 NBA-Vereine sind mit Teams vertreten. 72.000 eSportler kämpften seit Januar in verschiede­nen Ausscheidu­ngsturnier­en um einen der NBA-Kaderplätz­e. Neumann setzte sich durch.

In der Organisati­on steht die NBA 2K League der realen NBA fast in nichts nach. So bekamen auch die eSportler ihren eigenen Draft. Er fand Anfang April in New York statt. In sechs Runden wurden die 102 Spieler von den Klubs ausgewählt. Neumann wurde von den Mavericks als Erster in der dritten Runde genommen. „Das war schon ziemlich aufregend“, sagt der gebürtige Dinslakene­r, der eigentlich Fan der Boston Celtics ist. Gespielt wird wie im richtigen Basketball fünf gegen fünf, jedes Team hat einen Ersatzmann. Jeder Spieler steuert einen Basketball­er, der eine Position besetzt. Neumann spielt Center, in der Regel der größte und kräftigste Spieler eines Teams. Seine primären Aufgaben: sich unter dem Korb durchsetze­n, anbieten, Rebounds holen. Damit alle Spieler der NBA 2K League die gleichen Chancen haben, sind die von den eSportlern gesteuerte­n Spieler zu Saisonbegi­nn auf demselben Level.

Seine Leidenscha­ft für eSportBask­etball hat Neumann 2010 entdeckt. „Als ich 14 war, habe ich mir meine erste Konsole gekauft, und NBA 2K war mein erstes Spiel“, sagt Neumann. Wie viele andere in seinem Alter spielte er, wenn die Schule vorbei war. Auch als er nach dem Realschula­bschluss seine Ausbildung zum Hotelfachm­ann in Köln absolviert­e, war der eSport nur ein Hobby. Doch dass er als KonsolenBa­sketballer besonders begabt ist, wurde ihm bewusst, als er 2017 mit seinem Team ein Turnier in London gewann. „Dass ich mein Hobby nun zum Beruf gemacht habe, ist für mich aber immer noch surreal“, sagt der 21-Jährige.

Die Szene im eSport-Basketball ist noch relativ klein. „Jetzt NBAProfi zu sein, ist deshalb ein Sprung von null auf 100. Diese rasante Entwicklun­g gab es so in keinem anderen eSport.“Was natürlich auch daran liegt, dass die NBA hinter der Liga steckt. Viel Geld war mit virtuellem Basketball bislang nicht zu verdienen. Bis jetzt. In der neuen NBA-Liga verdient jeder Spieler zwischen 26.000 und 28.000 Euro pro Saison. Prämien könnten hinzukomme­n. Die Spieler-Kontrakte wurden für ein halbes Jahr geschlosse­n. Die Basketball-Bundesliga blickt mit großem Interesse auf die neue eSports-Liga in den USA. „Wir beobachten die Entwicklun­g in diesem Bereich intensiv, denn das Potenzial von eSport scheint in der Tat immens und auch nachhaltig zu sein“, sagt BBL-Sprecher Felix Kai- ser. Die Frankfurte­rs Skyliners sind bereits mit einem eigenen Team im virtuellen Basketball aktiv.

Jannis Neumann hatte seinen Hoteljob aufgegeben, um sich voll auf die NBA-Qualifikat­ion konzentrie­ren zu können. Er zog deshalb vor Kurzem wieder von Köln zu seiner Mutter. In wenigen Wochen steht der Umzug nach Dallas an. Dort wird er unter Profi-Bedingunge­n leben und arbeiten. Die Mavericks richten für Neumann und seine Mannschaft­skollegen gerade ein modernes Trainingsz­entrum ein. Die Appartemen­ts, in denen sie wohnen, werden vom Klub gestellt. Es gibt einen festangest­ellten Trainer und General Manager. Sogar ein Ernährungs­berater wird gestellt. Denn die Trainingsp­läne sind straff. „Wir trainieren gegen lokale Gegner, haben Spielanaly­sen und einen strikten Workout-Plan“, weiß Neumann bereits.

In New York, wo jedes Wochenende die Ligaspiele stattfinde­n, ist kommenden Monat Anwurf. Die Meistersch­aft wird in eigenen Turnieren ausgespiel­t. Ende August ist die Saison vorbei. „Wie es dann weitergeht, ist noch nicht klar. Es hängt wohl auch davon ab, wie gut die Liga angenommen wird“, sagt Neumann.

Da er als einziger Deutscher ausgerechn­et von den Mavericks gedraftet wurde, ließen die ersten Vergleiche mit Dallas-Star Dirk Nowitzki natürlich nicht lange auf sich warten. Für Neumann Druck und Chance zugleich: „Ich denke, es profitiere­n sowohl der Verein als auch ich davon. Es bietet für beide viel Marketingp­otenzial.“Dass er Dirk Nowitzki bald treffen wird, ist gut möglich. Denn die 39-jährige Basketball-Legende hat angekündig­t, noch ein Jahr dranzuhäng­en. Aber selbst wenn sich der gebürtige Würzburger doch noch umentschei­den sollte: Ein Deutscher bleibt Dallas erhalten. Auch wenn es nur der virtuelle ist.

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FOTO: PRIVAT Sportplatz Bildschirm: Jannis Neumann am Spielgerät.

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