Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Weitverzwe­igte Naturschat­zkammer

- VON ULRIKE OEHLERS

Stille, Natur und saubere Luft – all das gibt es in der Mecklenbur­gischen Seenplatte zu erleben. Selbst zur Hochsaison findet sich im „Land der 1000 Seen“immer irgendwo eine einsame Bucht.

Erginge es allen mecklenbur­gischen Dörfern wie Ludorf, würde bald die ganze Region zur Tourismush­ochburg erblühen. Von der Natur mit prächtigen Schätzen ausgestatt­et, gilt die Mecklenbur­gische Seenplatte dennoch als Geheimtipp für Menschen, die sich nach Stille, Natur und sauberer Luft sehnen. Doch Manfred Achtenhage­n baute nun einmal, gemeinsam mit seiner Frau Keril, Mitte der 90er-Jahre in Ludorf bei Röbel/Müritz. Dem 1689 errichtete­n Gutshaus im gleichen Ort, eines der ältesten in Mecklenbur­g, zudem als Ensemble fast vollständi­g erhalten, drohte zu dieser Zeit der Verfall. DDRKonsum, Kindergart­en und LPG-Verwaltung waren längst ausgezogen.

Achtenhage­n, eigentlich Kaufmann in der Medienbran­che, ist ein Mann der Tat. Zusammen mit seiner Frau kaufte er das Gutshaus 1998, legte im Inneren unzählige historisch­e Schätze frei und verwandelt­e es in ein schickes Landhotel, das 2000 eröffnete und sich vor allem mit Slow Food und Achtsamkei­tstagen von der Masse absetzte. „Das Haus war zu groß, um darin zu wohnen, deshalb mussten wir uns eine andere Nutzung ausdenken“, erzählt der 66-Jährige, der sich seit Jahren leidenscha­ftlich für die Entwicklun­g des Tourismus in der Müritz-Region einsetzt, unter anderem als Vorsitzend­er des Vereins für Schlösser, Gutsund Herrenhäus­er in Mecklenbur­g-Vorpommern. Zwischen den Hügeln der Mecklenbur­gischen Schweiz gibt es besonders viele davon. Als Projektlei­ter hat er auch die Entwicklun­g des Naturerleb­niszentrum­s Müritzeum in Waren begleitet. „Das war das Wunder von Waren: dass jemand aus der Wirtschaft mit dieser Aufgabe betraut wurde“, sagt er. „Durch meine Hotelgäste wusste ich allerdings sehr genau, was sich Urlauber wünschen. Das von der EU hochgeförd­erte Projekt musste Schlechtwe­ttervarian­te und saisonverl­ängernde touristisc­he Infrastruk­turmaßnahm­e zugleich sein.“Die interaktiv­e Ausstellun­g in dem futuristis­ch anmutenden Holzbau, der irgendwie auch die Vorstellun­g einer Arche Noah hervorruft, präsentier­t die Natur der Region deshalb weniger wissenscha­ftlich, sondern vor allem spielerisc­h. Dass man trotzdem eine Menge lernt, ist Menschen wie Torsten Weiß zu verdanken. Wenn der DiplomBiol­oge Besuchergr­uppen durch die Ausstellun­g im 2007 eröffneten Neubau führt, erwähnt er regelmäßig „Deutschlan­ds größtes Süßwassera­quarium für heimische Fische“. Dabei steht er vor einer Glaswand, die unmittelba­r an den zum Areal gehörenden Herrensee anschließt. Dahinter schwimmen etwa 60 Fische so dicht vorbei, dass man sie gut betrachten kann. Was wie ein Unterwasse­rquerschni­tt des Herrensees aussieht, ist tatsächlic­h ein separates Aquarium mit fast 50 verschiede­nen Arten.

Seit zehn Jahren arbeitet der gebürtige Thüringer im Müritzeum. Immer noch ist er von der Vielfältig­keit der Lebensräum­e in der Müritz-Region fasziniert, die Buchenwäld­er sind Teil des Unesco-Weltnature­rbes. Und er ist begeistert, „dass man tagelang mit dem Kanu in den weitvernet­zten Wasserstra­ßen der Mecklenbur­gischen Seenplatte unterwegs sein kann, ohne einem Motorboot zu begegnen, für die manche Strecken in Naturschut­zgebieten gesperrt sind“. Andere hingegen kommen gerade deshalb in das Dorado für Wanderer, Angler und Wasserspor­tler, um die großen Seen im Norden mit den Übergängen zu den kleineren Seen im Süden per Hausboot zu erkunden. Ganz gemütlich, bei neun Stundenkil­ometern.

Zwischen Plau am See und Mirow gibt es keine Schleuse, dafür finden sich im südlichen Gebiet der Kleinseenp­latte mehrere. Hier schlängeln sich die Wasserfahr­zeuge durch üppige Naturprach­t, etwa das Seerosenpa­radies, das von Mi- row aus auch per Fahrgastsc­hiff zu erkunden ist. Anfang Juni stehen die Seerosen in voller Blüte. Im Hochsommer sorgt das meterhohe Schilf an dichten Uferränder­n für ein Dschungel-Gefühl, etwa im Käbelickse­e.

Die Schlossins­el in der Kleinstadt Mirow bietet sowohl Natur- als auch Geschichts­er- lebnis. Das mit öffentlich­en Mitteln restaurier­te Schlossens­emble, ab 1709 als Witwensitz für Herzogin Christiane Aemilie Anthonie von Mecklenbur­g-Strelitz errichtet, eröffnete 2014 als Museum. Die einheimisc­hen Mitarbeite­r hüten ihr aus dem Dornrösche­nschlaf erwecktes Kleinod: Wer die historisch­en Holzböden der Ausstellun­g betreten möchte, muss seine Schuhsohle­n am Eingang über einem speziellen Reinigungs­gerät säubern lassen.

Lange Jahre stand das Schloss leer, „die Fenster waren mit Brettern vernagelt“, erzählt eine Mitarbeite­rin. Deshalb könne man nicht so genau sagen, wie es in den langen Jahren des Leerstands aussah. Die Schätze aus dem Kuriosität­enkabinett, das sich die adelige Bewohnersc­haft einrichtet­e, sind jedenfalls komplett verschwund­en. Berühmtest­e Schlossbew­ohnerin war Prinzessin Sophie Charlotte, die das politisch ansonsten bedeutungs­lose Herzogtum Mecklenbur­g-Strelitz durch ihre Heirat mit dem englischen König Georg III. ins Blickfeld rückte. Heute ist der Hinweis auf die Geburtssta­dt einer englischen Königin größer als das eigentlich­e Ortseingan­gsschild darüber, und die Mirower sind stolz darauf, dass unter anderem die Millionens­tadt Charlotte in den USA nach „ihrem Lottchen“benannt ist.

Die Redaktion wurde vom Tourismusv­erband Mecklenbur­gische Seenplatte zu der Reise eingeladen.

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FOTO: CHRISTIN DRÜHL Das Schlosshot­el Klink liegt direkt an der Müritz bei Waren und bietet einen guten Ausgangspu­nkt, um die Mecklenbur­gischen Seenplatte­n zu erkunden.
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FOTO: ULRIKE OEHLERS Der Spaziergan­g durch den Bärenwald Stuer führt durch eine lehrreiche Ausstellun­g. Wer Glück hat, entdeckt auch einen der derzeit 18 Bären, die im Wald leben.

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