Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Quantensprünge und Zukunftstrends
Computer und Digitalisierung halten Wirtschaft und Gesellschaft, Arbeits- und Lebenswelt in Atem. Den großen Umbruch, veränderte Gewohnheiten und eine große Modernitätsdynamik in der Logistik hat ein Minigerät begünstigt.
Vor zehneinhalb Jahren kam das Apple iPhone auf den Markt. Das Smartphone gab das Startsignal für eine neue Generation von Mobiltelefonen mit App-Programmen und multifunktionalen Möglichkeiten. Somit wurden Anwendungen für private und berufliche Nutzer noch einfacher, bequemer und transparenter. Die Tausendsassas sorgen in Verbindung mit moderner Telefonund Internettechnik dafür, dass die Menschen ihre Arbeit und Erledigungen mobiler denn je handhaben können. Immer mehr Waren werden online geordert, ihre Lieferwege verfolgt und Retouren durchgeführt.
Das bringt Anbieter und Dienstleister ins Schwitzen, beeinflusst die Verkehrsströme und zieht schnellere und ideenreichere Angebote nach sich. Mittlerweile etabliert sich bei Unternehmen der Grundsatz, dass nicht unbedingt der Bessere, sondern der Schnellere gewinnt. Ein weiteres Beispiel zeigt, dass auch die Kombination beider Komponenten neue Platzhirsche entstehen lässt: So hat es der USKonzern Amazon recht schnell vom Online-Buchhändler über den Multiportfolio-Anbieter zur weltweiten Wirtschaftsmacht geschafft, die eine ganze Wertschöpfungskette mit ihren vielfältigen Ideen, Mitteln und Tochterunternehmen abbildet, kontrolliert, dominiert und diktiert. In Deutschland baut das Unternehmen derzeit seine Logistikzentren und sein eigenes Lieferunternehmen aus. Zugleich setzt es den Mitbewerb unter Druck – erst mit 24Stunden-Lieferservice, dann mit Auslieferungen noch am Bestelltag und schließlich mit dem automatisierten Nachbestellen von Alltagsartikeln per Knopfdruck und WLanFunknetz.
Nun liefern auch Supermärkte und Warenhäuser Produkte direkt beim Kunden an der Haustür aus. Zudem planen Lieferanten und Behörden vor allem in deutschen Innenstädten ein dichtes Netz an dezentralen Lagern, um weiter wachsenden Lieferverkehr, Staus und Lieferprobleme zu vermeiden. Unabhängig davon gewinnen bei den Anbietern Multichannel- oder Omnichannel-Konzepte zunehmend an Popularität. bei denen Onlineund Ladengeschäft miteinander verknüpft werden: Artikel können im Internet bestellt und dann im
Mit dem radikal veränderten Bestellverhalten und Anspruchsdenken der Kunden muss die Logistik mithalten
vertrauten Laden abgeholt oder vor Ort ein Produktmuster erläutert, besehen, befühlt, für gut befunden und online nach Hause geordert werden. Für diesen Griff ins „virtuelle Lager“stehen Bestelldisplays bereit, die demnächst sogar in Kaufimpulse setzenden Schaufenstern integriert sein werden. Was dem Kunden beim Einkaufsbummel oder Spazierengehen aus dem Schaufenster eines Geschäfts gefällt, kann er hier sofort passend bestellen.
Mit dem radikal veränderten Bestellverhalten und Anspruchsden- ken der Kunden muss die Logistik mithalten und neue Herausforderungen wie einen möglichst schnell abgewickelten Online-Einkauf oder die – anachronistische – Abwesenheit vieler Besteller bewältigen. Verschiedene Lösungen werden bereits angeboten oder getestet, wenngleich sie noch nicht den Massen- durchbruch geschafft haben. Dazu gehören Logistikservice-Marktplätze wie Inttra, Lagermitarbeiter, die dank „Augmented Virtuality“-Datenbrillen beim professionellen „Picken“der Auftragsware schneller und zielgerichteter agieren können, aber auch per „Anticipatory-Shipping“beziehungsweise Algorithmen-Programmen vorausschauend bereitgestellte Ware.
Dazu kommen Zustellservices von privaten Paketen an die Arbeitsstelle des Kunden, der Zugriff auf das eigene Paket über den Autokofferraum eines bereitwilligen Nachbarns oder die Auslieferung von Päckchen per Fahrzeugroboter. Sichtbar ist auch die rasant wachsende Anzahl von Annahmestellen, Paketstationen und Feldversuchen mit Transportdrohnen oder mit vernetzten, weitgehend selbstfahrenden LKW-Kolonnen.
Apropos Vernetzung: Wie schon von „Smart Home“oder Facility Management bekannt, kommunizieren künftig immer mehr physische Komponenten, Geräte, Systeme und Anlagen automatisch miteinander. Das heißt dann je nach Bereich „das Internet der Dinge“oder „Industrie 4.0“. In der Realität kurven schon in vielen Logistikkomplexen autonom fahrende Karren herum, die Gegenstände aufnehmen, transportieren und abladen und deshalb auf den ständigen Daten- austausch im Arbeitsumfeld angewiesen sind.
Ein anderes Beispiel sind die autonomen Fahrzeuge vom Typ Tesla. Diese müssen über zahlreiche Kameras und Sensoren ständig ihr Umfeld scannen, um in der Spur zu bleiben und gefahrlos durch den Verkehr zu kommen. Bei lokalen Projekten sind schon Systeme im Einsatz, bei denen sich entsprechend ausgestattete Autos, Ampelschaltungen oder LED-Geschwindigkeitsschilder permanent aufeinander abstimmen und somit intelligent den aktuellen Verkehr an Ort und Stelle anpassen.
Einer weiteren Zukunftstechnik wird von verschiedenen Experten bereits das Potenzial einer neuen Industrierevolution zuerkannt: Der 3D-Druck entwickelt sich bereits seit Jahrzehnten und wird nun immer breiter angewandt. Damit können Kunden selber kleinere Gegenstände zu Hause anfertigen oder Anbieter auf dem Weg zum Kunden die gerade bestellten Produkte in fahrbaren 3D-Drucker-Fahrzeugen herstellen und fast produktwarm ausliefern. Noch reagieren die aktuellen 3D-Drucker aber zu empfindlich auf Stöße während der Fahrt. Derartige Angebote beeinflussen natürlich die Arbeitswelt der Logistik, in der neue Entwickler, Anwendungsspezialisten oder Servicetechniker gefragt sind.