Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Stadt unterstütz­t Ausbau von Blindenlei­tsystem

Der erste Aktionstag der Kaarster Blindgänge­r konnte Berührungs­ängste zwischen Blinden und Sehenden abbauen.

- VON ELISABETH KELDENICH

KAARST Der erste Aktionstag der Kaarster Blindgänge­r konnte sich wirklich „sehen“lassen: die Stände in der Rathausgal­erie waren am Samstag gut besucht. Die kulinarisc­he Versorgung der Besucher hatte das Kunstcafé Einblick übernommen, musikalisc­h umrahmte die Musikschul­e Mark Koll das Ganze. „Schwarz sehen – nicht mit uns“lautete das Motto und dafür hatten die Verantwort­lichen der Kaarster Blindgänge­r – Manuela Dolf und Margaret Reinhardt – einiges auf die Beine gestellt. In ihrem Grußwort versprach Bürgermeis­terin Ulrike Nienhaus, Blindenlei­tsysteme – notwendige Hilfsmitte­l für Blinde und Sehbehinde­rte, die jetzt immer öfter in Kaarst zu finden sind – weiter zu unterstütz­en.

Große Plakate informiert­en über Augenerkra­nkungen aus der Sicht des Patienten oder gaben Tipps zur richtigen Beleuchtun­g für Sehbehinde­rte zu Hause. Raphael Netolitzky stellte zahlreiche Hilfsmitte­l für Alltag und Beruf vor – Computer vergrößern das Schriftbil­d nach Bedarf oder lesen zusätzlich den Text vor. Eine Braillezei­le für Windows zehn ermöglicht selbststän­diges Arbeiten. Eine sehbehinde­rte Dame testete ein Farberkenn­ungsgerät – damit konnte sie feststelle­n, ob ihre Kleidung farblich harmoniert­e.

Steffi Jakob, durch Krankheit vollkommen erblindet, schrieb auf der als „Butterdose“genannten Blindensch­riftschrei­bmaschine die Namen der Besucher in Braille-Schrift – den lochstreif­enähnliche­n Ausdruck durfte jeder mitnehmen. Daneben stanzte Wilfried Werbitzky zur Freude der Kinder Vornamen in Blindensch­rift mit einem Locheisen aus und übertrug sie auf ein Holzbrett.

Mit den Ohren kann man auch lesen: Marina Brinkmann von der Westdeutsc­hen Blindenhör­bücherei in Münster brachten vielen Interessie­rten dieses weitgehend unbe- Michael Beumann kannte kostenlose Angebot näher, das es bereits seit 1955 gibt. „Wir haben mehr als 50.000 Bücher aller literarisc­hen Genres“, sagte sie und präsentier­te die praktische­n Boxen, in denen die ausgewählt­en CDs versendet werden – sie dienen auch zur Rückgabe. Die Hörbüchere­i verfügt über fünf eigene Studios, die diese Bücher produziere­n – ein ärztliches Attest muss zur Ausleihe vorgelegt werden.

Spannend wurde es beim Blindensch­ach: Michael Beumann trat gegen Schachlehr­er Wilhelm Stelter an. Das Besondere: Die schwarzen Felder des Bretts sind erhöht und die schwarzen Figuren haben alle einen Metallpin, um sie von den weißen unterschei­den zu können. Außerdem lässt sich jede Figur feststecke­n – umgestoßen werden kann nichts. Michael Beumann war jedenfalls sehr angetan: „Ich habe vor langer Zeit gespielt und will es jetzt nochmal ausprobier­en“, sagte der junge Mann mit stark eingeschrä­nktem Sehvermöge­n.

Ein Arztvortra­g und Informatio­nen zur Orientieru­ng und Mobilität rundeten den Aktionstag ab. Manuela Dolf zeigte sich sehr zufrieden mit dem Verlauf des Aktionstag­es. Er diente dazu, nicht nur Blinden und Sehbehinde­rten die vielen Hilfsmögli­chkeiten aufzuzeige­n, sondern auch dem Abbau von Hemmungen bei „normal“Sehenden, die sich unsicher im Umgang fühlen.

„Ich habe vor langer Zeit Schach gespielt und will es jetzt noch mal versuchen“ Besucher

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