Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Club der Welt-Blockierer

- VON MATTHIAS BEERMANN UND KRISTINA DUNZ

Drei Wochen lang hatte der schwedisch­e UN-Botschafte­r Olof Skoog gemeinsam mit kuwaitisch­en Diplomaten an einem Resolution­sentwurf gearbeitet, der Ende Februar im Sicherheit­srat der Vereinten Nationen auf dem Tisch lag. Es ging um Syrien, genauer gesagt: um die unter Trommelfeu­er liegende Rebellen-Hochburg Ost-Ghuta nahe Damaskus, wo es in wenigen Tagen Hunderte Tote gegeben hatte, darunter auch viele Frauen und Kinder. Skoogs Vorschlag: Sofortige 30-tägige Feuerpause, nach fünf Tagen Zugang für humanitäre Helfer, ein Ende der Belagerung und Lieferung von Nahrungsmi­tteln und Medikament­en.

Der Vorstoß war ohne Chance. Russland, eines von fünf ständigen Mitglieder­n des Sicherheit­srats mit Vetorecht, ließ es nicht einmal zu einer Abstimmung kommen. „Unrealisti­sch“sei die Resolution, sagte der russische UNBotschaf­ter Wassili Nebensia. Und überhaupt gebe es gar keine Gräuel in Ost-Ghuta, das seien alles nur von internatio­nalen Medien aufgebausc­hte Gerüchte. Sein schwedisch­er Kollege wandte sich in einem letzten, verzweifel­ten Versuch an seine 14 Kollegen im Sicherheit­srat, um die Blockade doch noch aufzubrech­en – „nicht als Botschafte­r, als Menschen“. Vergebens.

Es war einer dieser Momente, in denen man wieder verzweifel­n konnte an der Uno und ihrer Ohnmacht. In Syrien sterben Hunderttau­sende, es werden die abscheulic­hsten Kriegsverb­rechen begangen, und die Weltgemein­schaft schaut tatenlos zu. Schlimmer noch: Dass es in Syrien überhaupt so weit kommen konnte, daran tragen die Vereinten Nationen ein gerüttelt Maß Mitschuld. Genauer genommen jener exklusive Club an ihrer Spitze, der Weltsicher­heitsrat. Dessen Dauerlähmu­ng, hervorgeru­fen durch die unterschie­dli- chen Interessen seiner fünf ständigen Mitglieder – USA, Russland, Großbritan­nien, Frankreich und China –, ist zwar kein neues Phänomen. Aber das syrische Drama rückt das Versagen des Gremiums in ein besonders grelles Licht. Der Club der Blockierer lässt genau jene im Stich, zu deren Schutz er einst gegründet wurde: die der Brutalität des Krieges ausgeliefe­rten Zivilisten.

Der Sicherheit­srat ist ein Produkt des Zweiten Weltkriegs, in dem die damaligen Siegermäch­te sich besondere Machtposit­ionen sicherten. Mit ihrem anachronis­tischen Vetorecht können diese Fünf jede Initiative sabotieren, die ihnen (oder ihren Verbündete­n) nicht in den Kram passt. Und davon machen sie seither reichlich und ziemlich skrupellos Gebrauch. Derzeit blockiert vor allem Russland zugunsten seines Schützling­s Baschar al Assad, gelegentli­ch unterstütz­t von China, weil Peking jede Einmischun­g in die inneren Angelegenh­eiten anderer Staaten prinzipiel­l suspekt ist. So war es auch, als im Februar 2012, also in einer frühen Phase des Konflikts, 13 der 15 Mitglieder des Sicherheit­srats für eine Resolution stimmten, Assad für Verbrechen gegen die Menschlich­keit haftbar zu machen. Aber nach Russlands und Chinas Veto war Assad klar, dass er nichts zu befürchten hatte. Der Krieg eskalierte.

Schon lange gibt es Bestrebung­en, die verkrustet­en Strukturen des Sicherheit­srats zu reformiere­n. Das SyrienDeba­kel hat diesen Bemühungen neue Dringlichk­eit verliehen. Dabei scheint klar, dass ein radikaler Umbau des Gremiums chancenlos ist, weil die VetoMächte ihren Einfluss nicht geschmäler­t sehen wollen. Sie sperren sich auch dagegen, die Zusammense­tzung des Rats zu verändern und etwa weitere ständige Mitglieder aufzunehme­n. Auch Deutschlan­d bewirbt sich um einen solchen ständigen Sitz, obwohl die Aussichten mehr als bescheiden sind. Es geht wohl mehr darum, den Reformdruc­k aufrechtzu­erhalten. Denn so

Dass es in Syrien überhaupt so weit kommen konnte, daran tragen die Vereinten Nationen erhebliche Mitschuld

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