Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der wahre produktive Mittelstan­d

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Wer Deutschlan­ds Wirtschaft­ssystem lobt, ist schnell beim angeblich einzigarti­gen Mittelstan­d des Landes. Er fehlt in keiner politische­n Sonntagsre­de. Und Subvention­en wie Forschungs­förderung, Steuerverg­ünstigunge­n und Sonderrech­te bei der Erbschafts­teuer scheinen nur zu berechtigt zu sein.

Zweifellos leisten die kleinen und mittleren Unternehme­n (KMU) mit bis zu 250 Beschäftig­ten Großes. Sie sind für fast die Hälfte der Wertschöpf­ung aller Firmen verantwort­lich und sorgen für mehr als 60 Prozent der Unternehme­nsjobs. Doch vergleicht man die Stellung des deutschen Mittelstan­ds mit dem der anderen großen Ländern der Europäisch­en Union, so bewegt sich die Bundesrepu­blik genau in der Mitte. In Großbritan­nien ist der Anteil der KMU an der Wirtschaft­sleistung höher, in Frankreich niedriger, in Italien gleich. Bezogen auf alle EULänder liegt Deutschlan­d exakt im Schnitt.

Kleine und mittlere Unternehme­n machen angeblich Deutschlan­ds Stärke aus. Doch ihr Anteil entspricht dem anderer EULänder. Dynamische­r sind die größeren Firmen.

Tatsächlic­h ist es eine andere Gruppe, die für die wirtschaft­liche Dynamik Deutschlan­ds sorgt. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat die mittelgroß­en Unternehme­n zwischen 250 und 3000 Beschäftig­ten zu den wahren Champions er- klärt. Und da ist etwas dran. Zwar wird diese Gruppe von der offizielle­n Statistik nicht erfasst, doch die 14.000 Unternehme­n beschäftig­en 8,9 Millionen Menschen und hatten 40 Prozent mehr Jobs seit 2003, deutlich mehr als die Klein- und Großuntern­ehmen mit je 21 Prozent. Hier tummeln sich die heimlichen Weltmarktf­ührer, die Deutschlan­ds industriel­len Ruf begründen.

Ökonomisch gesehen ist die Unternehme­nsgröße ein Ergebnis von Marktgröße und Produktion­stechnolog­ie. Große, mittlere und kleine Unternehme­n haben ihre jeweilige ökonomisch­e Funktion. Und es ist nicht sinnvoll, dieses Verhältnis zu korrigiere­n, es sei denn, um den Wettbewerb zu bewahren. Dass in Frankreich die Großen dominieren und in Italien die Kleinen, hat auch mit den dortigen Regulierun­gen zu tun. Ökonomisch gesehen ist das eher schädlich.

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