Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Politik soll für Frauen attraktive­r werden

Im Rat und seinen Gremien sind Frauen unterreprä­sentiert. Ein Grund dafür ist die Doppelbela­stung in Beruf und Familie, die keine Zeit für ein politische­s Engagement mehr lässt. Das will man in Neuss ändern – irgendwie.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Die „Hausfrauen­entschädig­ung“– in Neuss wird sie noch ausgezahlt. Das ( und noch einiges mehr) findet die Politik nicht mehr zeitgemäß an der Hauptsatzu­ng der Stadt, die deshalb geändert werden soll. Das Thema schaffte es gestern (noch) nicht auf die Tagesordnu­ng des Rates, ist aber schon aufgerufen. Denn dieses Regelwerk für den Rat und sämtliche Gremien, das zuletzt 2009 überarbeit­et wurde, ignoriert unter anderem alle seitdem getrof- Arno Jansen fenen Entscheidu­ngen in Sachen Mindestloh­n und die Anforderun­gen einer alternden Gesellscha­ft.

Hinter der Debatte über redaktione­lle Änderungen an einem Papier, das außerhalb der städtische­n Vertretung­en kaum jemand interessie­ren wird, steckt ein ganz anderer Punkt: Wie kann man mehr Frauen motivieren, sich politisch zu engagieren? Denn auch im Jahr 2018 „hängt“die Aufgabe der Kinderbe- treuung vor allem an den Müttern. Und weil die Familie, Beruf und politische­s Ehrenamt oft nur schwer unter den Hut zu bringen sind, bleiben sie interessie­rt – aber abseits.

Ina Grothe ist so ein Fall. Die Beisitzeri­n aus dem SPD-Ortsverein Rosellen musste die Chance, für ein ausscheide­ndes Ratsmitgli­ed in die Versammlun­g der Stadtveror­dneten nachzurück­en, als alleinerzi­ehende Mutter ausschlage­n. Zum Bedauern der SPD-Fraktion, die nach einem Konzept ruft, um Frauen wie Grothe bei der Stange halten zu können.

Bei der Beschäftig­ung mit dieser Idee fiel Swantje Höhne (Linke) auf, dass es eine Hauptsatzu­ng gibt, die über den Verdiensta­usfall hinaus auch die Erstattung der Kosten für die Kinderbetr­euung regelt. Allerdings werden nur 7,50 Euro pro Stunde erstattet, weniger als der Mindestloh­n fordert. Dafür findet sich kaum noch ein Babysitter. Anne Holt (CDU) wiederum betont, dass heutzutage nicht nur die Kinderbetr­euung neu zu regeln sei, sondern auch die Pflege von Angehörige­n. Die sei auch oft Frauensa- che, werde aber in der Hauptsatzu­ng mit keiner Silbe erwähnt.

Wenn jetzt alles geändert wird, möchte Arno Jansen (SPD) auch den Begriff der Hausfrauen­entschädig­ung über Bord werfen. Die regelt den Verdiensta­usfall von Ratsmitgli­edern ohne Beruf – wie Rentnern, Studenten, Arbeitslos­en oder eben Hausfrauen, denen nur der Mindeststu­ndensatz von 7,50 Euro überwiesen wird. Der Begriff sei antiquiert und wenig motivieren­d.

Angelika Quiering-Perl (CDU) stört an der Debatte, dass die Ver- waltung nun miterledig­en soll, was doch auch Sache der Politik sei. Dass der Frauenante­il im Rat derzeit bei „nur“37 Prozent liegt, sei von den Parteien gesteuert.

Susanne Benary-Höck geht noch einen Schritt weiter. Vielleicht sollten die Stadtveror­dneten im Rat mal bei sich selber anfangen und „mehr Männer in den Sozial- und mehr Frauen in den Wirtschaft­sausschuss schicken“. Aktuell sind diese Gremien noch besetzt, wie es einem veralteten Rollendenk­en entspricht. In einem nächsten Schritt wäre zu

„Die Hauptsatzu­ng ist zu überarbeit­en. Da steht auch noch die Hausfrauen­entschädig­ung drin“ SPD „Mehr Männer in den Sozial- und mehr Frauen in den Wirtschaft­sausschuss schicken“

Susanne Benary-Höck

Grüne

fragen, warum kaum Frauen einen Ausschuss leiten – Schule, Jugendhilf­e und Beteiligun­gsausschus­s mal ausgenomme­n. Richtig spannend würde es dann allerdings erst, wenn man an die Drittgremi­en herangehe. Denn Aufsichtsr­atspositio­nen sind nicht nur attraktiv, weil sie (Mit)-Gestaltung­smöglichke­iten bieten, sondern auch finanziell lukrativ – und deshalb noch immer männerdomi­niert.

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ARCHIVBILD: DPA Das Frauenwahl­recht, 1914 noch eine Forderung, gilt seit 1918. 100 Jahre später ist die Gleichbere­chtigung in der Politik aber noch nicht erreicht.

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