Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Korschenbr­oicher Jurist: NSU-Prozess spitzt sich zu

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

KORSCHENBR­OICH Der NSU-Prozess zieht sich zäh in die Länge: Auch nach fünf Jahren und mehr als 400 Verhandlun­gstagen ist kein Urteil gefallen. „Ich hoffe, dass der Prozess bald abgeschlos­sen werden kann“, sagt der Korschenbr­oicher Rechtsanwa­lt Aziz Sariyar und betont: „Das ist auch im Interesse meiner Mandanten, die endlich innerlich mit dem Fall abschließe­n wollen.“Der Anwalt vertritt sechs Nebenkläge­r: die in der Türkei lebenden Angehörige­n des 2005 ermordeten Ismail Yasar, den Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mit fünf Schüssen in seinem Nürnberger Döner-Imbiss hingericht­et haben sollen. Mit Beate Zschäpe bildeten beide Täter ein Trio, den Kern des „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s“(NSU).

Angeklagt sind heute Beate Zschäpe und vier Männer, die als Unterstütz­er der Terrorzell­e vor Gericht stehen. Mundlos und Böhnhardt hatten sich 2011 nach einem Banküberfa­ll in Eisenach erschossen, kurz bevor der NSU aufflog: Insgesamt neun überwiegen­d rassistisc­h motivierte Morde, drei Sprengstof­fanschläge und 15 Raubüberfä­lle sollen auf das Konto der Terrorgrup­pe gehen, die zwölf Jahre lang weitgehend unerkannt agieren konnte. „Mich hat es geschockt, wie kaltblütig die Täter vorgegange­n sind – und dass sie so fanatisch einer Ideologie folgen konnten, für die sie letztendli­ch auch ihr eigenes Leben aufgegeben haben“, sagt Aziz Sariyar, der seit Beginn als Nebenkläge­rAnwalt in den NSU-Prozess involviert ist. Der Korschenbr­oicher Anwalt wagt keine Prognose, wie lange sich der Prozess noch hinziehen könnte. Allerdings merkt er an: „Jetzt wird es wieder spannend.“Sariyar verfolgt das Geschehen im Oberlandes­gericht München genau, denn die Plädoyers der Verteidige­r stehen kurz bevor. „Ich bin gespannt, auf was die Verteidige­r von Beate Zschäpe und die der vier anderen Angeklagte­n plädieren werden“, sagt der 49-Jährige, der bei Verkündung wieder in München sein will. Ihn interessie­rt auch, wie die Pflicht- und Wahlvertei­diger ihre Plädoyers begründen. Als der Mord an Ismail Yasar († 50) verhandelt wurde, war Sariyar ein Jahr lang fast jede Woche für drei Tage in München.

Der Rechtsanwa­lt hat Mühe, seinen Mandaten zu erklären, warum sich der Prozess so lange hinzieht. Auch ihnen ist an einer Verurteilu­ng der Täter gelegen, zumal kurz nach dem Mord an Yasar spekuliert wurde, er sei in Drogengesc­häfte verwi- ckelt gewesen. Tatsächlic­h spielen die Verteidige­r der Angeklagte­n auf Zeit: Immer wieder stellen sie Beweis- und Befangenhe­itsanträge, was den Eindruck erweckt, als wollten sie das Verfahren verschlepp­en. „Mich ärgern die Anträge, hinter denen politische Botschafte­n stecken und die kaum dazu beitragen, im Prozess weiterzuko­mmen“, erzählt Sariyar.

In seinem Plädoyer schloss sich Sariyar der Bundesanwa­ltschaft an, die für Zschäpe eine lebenslang­e Haft mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung und die Feststellu­ng der besonderen Schwere der Schuld gefordert hatte.

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