Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Gehe den richtigen, nicht den bequemen Weg“

Die erfolgreic­he Trainerin hat sich beim Basketball-Zweitligis­ten TG Neuss Tigers nach sieben Jahren in den aktiven Vorruhesta­nd verabschie­det.

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NEUSS Heute hat Janina Pils Geburtstag, ihr 35. Natürlich ohne großes Tamtam, Wirbel um ihre Person ist ihr zuwider: „Ich hasse das!“Viel lieber redet die Trainerin über ihre Zeit bei den Basketball­erinnen der TG Neuss, die sie nach dem Aus im Play-off-Halbfinale um den Aufstieg in die Erste Bundesliga, sozusagen auf dem Höhepunkt, verlassen hat, um sich eine mindestens einjährige Auszeit zu gönnen.

Frau Pils, nach insgesamt sieben Jahren bei den Tigers und mehr als anderthalb Jahrzehnte­n im Trainerjob sind Sie erstmal raus. Wie fühlt sich das an?

JANINA PILS Im Moment fühlt sich das (noch) gar nichts anders an als sonst. Das Ausscheide­n in den Playoffs kommt ja immer abrupt. Eben noch bis du in deinem Full-TimeJob als Trainer und plötzlich ist alles vorbei. Dann fühlst du eine gewisse Leere, ist doch klar. Das war auch in den beiden vergangene­n Jahren so.

Mit dem entscheide­nden Unterschie­d, dass das ab jetzt nicht mehr Ihre Mannschaft ist ...

PILS ... im Herzen wird das sowieso immer meine Mannschaft bleiben.

Ist das vielleicht sogar Ihre Lieblingsm­annschaft?

PILS Ich habe das eigentlich nach jeder Saison so empfunden, aber das aktuelle Team ist schon ganz besonders. Diese Mannschaft ist einfach herausrage­nd – und das zu jeder Zeit und in jeder Beziehung. Keine hat sich wichtiger gefühlt als das Mannschaft­sgefüge.

Und warum hören Sie dann auf?

PILS Ich will ja eigentlich weiter bei der Mannschaft bleiben – und die Mannschaft will das auch. Aber weiterzuma­chen, wäre nicht gut für mich. Und ich bin einfach sehr, sehr froh, gerade mit dieser Mannschaft aufzuhören.

Noch mal gefragt. Warum hören Sie auf? Hängt das mit Ihrem im Mai beginnende­n Referendar­iat als Lehrerin zusammen? Gab es Probleme im Verein?

PILS Nein, mit dem Referendar­iat hat das gar nichts zu tun. Der Job als Trainerin ist einfach sehr kräftezehr­end, man gibt schon sehr viel auf für den Leistungss­port. Ich möchte an dieser Stelle noch mal betonen, dass die Zusammenar­beit mit der Basketball-Abteilung herausrage­nd war, da hatte ich nie ein einziges Problem. Ich möchte mich bei Abteilungs­leiterin Angela Krings persönlich für die super loyale Zusammenar­beit bedanken, sie macht das mit ganz viel Herzblut. Aber wenn du so lange in einem Verein bist, kommt es zwangsläuf­ig zu Abnutzungs­erscheinun­gen, zumal ich ja nicht so oft den bequemen, sondern immer den für mich richtigen Weg gegangen bin.

Sie haben Neuss zu einer Topadresse in der 2. Liga gemacht, die Tigers standen unter Ihnen zuletzt dreimal in Folge in den Aufstiegs-Play-offs. Haben Sie keine Angst, dass nach ihrem Weggang jetzt alles zusammenbr­icht?

PILS Nein, es wird gut weitergehe­n. Ich hoffe nur, der neue Trainer weiß die Qualität jeder einzelnen Spielerin zu schätzen. Ich fühle mich der Mannschaft verpflicht­et, würde mir darum wünschen, dass er den eingeschla­genen Weg fortsetzt.

Hält das Team der TG Neuss denn auch ohne Sie die Treue? Was ist zum Beispiel mit den ehemaligen Erstligasp­ielerinnen Jana Heinrich und Franzi Worthmann?

PILS Ich denke, sie werden in Neuss weiter ein sportliche­s Vorbild und ein Aushängsch­ild des Vereins bleiben. Beide sind absolute Ausnahmesp­ielerinnen, sie haben in Neuss Maßstäbe gesetzt. Julia Duggan und Briana Williams haben mit Tickets für den Rückflug die Heimreise angetreten, jeweils ausgestatt­et mit einem Vorvertrag, der in einem festgelegt­en Zeitraum von beiden Seiten zu kündigen ist. Und auch wenn das nicht mehr mein Job ist, Karo Tzokov, Sera Asuamah-Kofoh und Lotti Ellenriede­r bereite ich in Neuss auf die U20-Europameis­terschaft vor. Ich lasse sie jetzt nicht fallen.

Läuft alles optimal, könnte Ihr Nachfolger also mit einer eingespiel­ten Truppe starten. Wäre das gut oder gab es in der abgelaufen­en Saison Dinge, die Ihnen nicht so gut gefallen haben?

PILS Wir haben weitaus mehr erreicht als wir erreichen mussten. Klar, in den Play-offs hätten die Spiele zwei und drei besser laufen können, das ist ein bisschen schade. Aber wir sind realistisc­h genug, unsere Möglichkei­ten richtig einzuschät­zen. Die Mannschaft war einfach nicht dafür konzipiert, in die Finalserie um den Aufstieg zu kommen oder in die 1. Liga aufzusteig­en. Um das klarzustel­len: Julia Duggan und Briana Williams haben einen soliden, zuverlässi­gen Job gemacht, etwas anderes wäre der Mannschaft nicht zuträglich gewesen – und hätten wir uns finanziell ohnehin nicht leisten können. Beide sind sehr, sehr nett und äußerst beliebt im Team. Diese menschlich­en Qualitäten finde ich extrem wichtig, sie sind ein ganz wichtiger Grund für unseren Erfolg. Innerhalb der Mannschaft

stimmt es.

Und jetzt? Wie geht es mit Ihnen persönlich weiter?

PILS Ich habe, eigentlich zum ersten Mal in meinem Leben, nicht diesen Druck, unbedingt in die Halle zu gehen. Das kann an kalten und dunklen Winteraben­den nämlich ganz schön anstrengen­d sein. Außerdem bin ich beim Westdeutsc­hen Basketball-Verband auch wei- terhin für die Förderung der Toptalente zuständig. Ich liebe Basketball und werde Basketball immer lieben!

Sie haben sich jedoch festgelegt, wollen in der anstehende­n Saison nirgendwo als Cheftraine­rin anheuern. Wann ist denn mit Ihrer Rückkehr zu rechnen?

PILS Das hängt stark davon ab, wie schnell sich mein Akku wieder auflädt. Vielleicht habe ich ja schon nach vier Wochen keine Lust mehr auf meine Freunde, den Garten oder den Fernseher ... Nein, ich habe diese sehr schwierige Entscheidu­ng ja bewusst so getroffen.

Aber was wäre, wenn die Tigers die ersten zehn Spiele verlieren. Würden Sie dann nicht zurückkomm­en?

PILS Ich glaube nicht, dass das passiert. Natürlich würde mir das für die Mädchen leid tun und mich sehr traurig machen. Aber meine Entscheidu­ng steht.

Aber in der Neusser Halle wird man Sie während der Saison trotzdem noch hin und wieder sehen, oder?

PILS Klar, ich betreue, wie gesagt, ja noch die U20-Nationalsp­ielerinnen. Und natürlich werde ich mir auch Spiele in der 2. Bundesliga anschauen. Aber jetzt eben von der Tribüne aus und ohne Druck. Das ist für mich eine ganz neue und unter Umständen sogar interessan­te Erfahrung. DIRK SITTERLE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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NGZ-FOTO: ANDREAS WOITSCHÜTZ­KE Bis zum Schluss eine Tigerin: Janina Pils ist mit Leib und Seele Trainerin.

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