Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wehrhahn: Angeklagte­r fühlt sich unverstand­en

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Mehrere Stunden lang hat Oberstaats­anwalt Ralf Herrenbrüc­k gestern den Mann befragt, den er als Wehrhahn-Bomber angeklagt hat. Seit Januar läuft der Prozess gegen den 51-jährigen Ralf S. und gestern erklärte der Mann, dem mit dem Sprengstof­fanschlag im Juli 2000 zwölffache­r Mordversuc­h vorgeworfe­n wird, er habe nur vor einem Angst, nämlich dem Ankläger persönlich. Dem traue er „alles“zu, auch Dinge, die „nicht in Ordnung“seien. Nur das habe er gemeint, als er am Telefon einer Bekannten sagte, er fürchte, seine DNA sei am Tatort gefunden worden. „Es gibt einige Lieder, die ich über Sie singe und rappe“, giftete S. in Richtung Herrenbrüc­k, bevor ihn seine Verteidige­r stoppten.

Herrenbrüc­k hatte den Angeklagte­n zuvor mit diversen Aussagen von Zeugen, aber auch von S. selbst in mitgehörte­n Telefonate­n konfrontie­rt. Die aufgezeigt­en Wider- sprüche konterte S. mal mehr, mal weniger wortreich. Die Quintessen­z: Belastende Zeugenauss­agen entspräche­n nicht der Wahrheit, und wo er selbst mit starken Worten zu hören war, da habe er eben „übertriebe­n“oder seine „Ironie“sei nicht verstanden worden. Beispielsw­eise, als er kurz nach dem Anschlag sagte, der hätte „ruhig noch 20 mehr treffen können“, oder als er über „Russen-Kanaken“als „Drecksgeso­cks“sprach, das „mein Land ausplünder­t“. Das sei, räumte er gestern ein, „asozial“formuliert gewesen, aber kein Hinweis darauf, dass er eine besondere Abneigung gegen Russen hege.

Eine Zeugin hatte gesagt, ihre russischst­ämmigen Sprachschü­ler hätten sich vor dem Anschlag von einem Mann mit Bomberjack­e und Hund bedroht gefühlt. Dass er damit gemeint sei, sagte S., sei durchaus möglich, allerdings habe er nicht gedroht, sondern beim Spaziergan­g mit seinem Rottweiler lediglich „geguckt“.

Interessan­t aus Sicht der Anklage ist eine schwarze Limousine, die vor, während und nach dem Anschlag am S-Bahnhof gestanden hat. Nur ein einziger Zeuge hatte sie damals bemerkt. S. aber beschrieb sie, kurz nachdem er im Juli 2000 erstmals in Verdacht geraten war, einem Reporter detaillier­t als verdächtig­es Fahrzeug. Wie er von diesen Auto erfahren hat, obwohl er nicht am Tatort gewesen sein will, daran konnte S. sich gestern nicht erinnern.

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