Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kochbuch zur Hochzeit: Kritik an Stadt-Geschenk

„Das Goldene Kochbuch“für künftige Ehepaare vermittelt laut der Gleichstel­lungsbeauf­tragten des Rates ein veraltetes Frauenbild.

- VON SIMON JANSSEN

NEUSS Es ist ein Buch, das Menschen zum Kochen bringen soll: Wer das kirschrote Cover mit fantasievo­llen Verzierung­en und einem geschwunge­nen, goldenen Herz aufschlägt, soll sich von Rezepten aus verschiede­nen Ländern und Regionen inspiriere­n lassen. Doch nun kocht eine Diskussion über jenes „Goldene Kochbuch“auf, das angehende Ehepaare erhalten, wenn sie beim Neusser Standesamt ihr Aufgebot bestellen. So gibt es unter anderem Kritik von der Gleichstel­lungsbeauf­tragten des Rates, aber auch aus der Politik und eine Empfehlung des Lesben- und Schwulenve­rbandes.

„So ein Geschenk war vor 15 Jahren schon nicht mehr zeitgemäß, da es auf das Bild von der traditione­llen Hausfrau abzielt. Man kann das mit Humor sehen, es bleibt aber sehr fragwürdig“, sagt die Gleichstel­lungsbeauf­tragte des Neusser Stadtrates, Hedwig Claes (Grüne). Sie kündigt an, bei der Stadt nachzufrag­en, seit wann Paaren dieses Kochbuch ausgehändi­gt wird – und aus welchen Beweggründ­en. „Vielleicht kann man sich dann auch mal Gedanken über ein anderes Geschenk machen“, sagt Hedwig Claes.

Die SPD-Stadtveror­dnete Constanze Kriete hat ein ganz anderes Problem mit dem „Goldenen Kochbuch“– und zwar mit dem Vorwort. Ihre Kritik: Die der Anrede im Buch lautet „Verehrte Brautpaare, Lebenspart­nerinnen und Lebenspart­ner“. Diese Formulieru­ng sei laut Constanze Kriete „überholt“, weil dort zwischen Ehe und Lebenspart­nerschaft unterschie­den werde. Dabei können homosexuel­le Paare seit dem 1. Oktober vergangene­n Jahres ebenfalls Eheleute sein. „Es gibt so viele Menschen, die für die Gleichstel­lung der Ehe gekämpft haben. Dass die Gleichstel­lung in dem Kochbuch nicht berücksich­tigt wird, hat mich sehr überrascht“, sagt Constanze Kriete.

Eine Änderung regt auch der Lesben- und Schwulenve­rband (LSVD) an. „Wir freuen uns, dass die Stadt Neuss in ihrem Kochbuch auch gleichgesc­hlechtlich­e Paare angesproch­en hat. Die gesonderte Nennung von Lebenspart­ner beziehungs­weise Lebenspart­nerinnen ist erfreulich­erweise durch die Öffnung der Ehe nicht weiter notwendig. Wir empfehlen der Stadt, zukünftig nur ,Verehrte Ehepaare...’ zu schreiben“, sagt René Mertens vom LSVD-Bundesverb­and.

Wie Tobias Spange vom Presseamt der Stadt Neuss auf Nachfrage mitteilte, wird das Buch bereits seit den 70er Jahren an künftige Brautpaare verteilt – stets in neuen Auflagen. Das werde auch in Zukunft so sein. Im Rathaus – und das schließt die Gleichstel­lungsbeauf­tragte der Stadt, Katja Gisbertz, mit ein – könne man die Kritik an dem Geschenk nicht nachvollzi­ehen. Liebe gehe schließlic­h durch den Magen. Wohlgleich werde man in der neuen Auflage die kritisiert­e Anrede im Vorwort anpassen.

Waltraud Beyen hat gleich zweimal in Neuss geheiratet. Bei ihrem ersten Ja-Wort – vor rund 50 Jahren – habe sie sogar noch ein Buch „mit Ratschläge­n für die Hausfrau“überreicht bekommen. „Ich habe mich aber darüber gefreut. So eine kleine Geste ist schön“, sagt die CDU-Frau. Ähnlich sieht es Patricia Aden, die Vorsitzend­e des Frauenrate­s NRW: „Gerade in heutigen Zeiten ist Ernährung extrem wichtig. Ich leite aus dem Geschenk nicht ab, dass es sich nur an die Frau richtet.“

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