Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Eastern Flowers blühen in der Alten Post auf

Im Rahmen der Jazzreihe „Blue in Green“gastierte das ungewöhnli­che Trio jetzt in Neuss.

- VON MARTIN LAURENTIUS

NEUSS Für Jazz als eine transkultu­relle Musik ist die stilistisc­he Grenzübers­chreitung integraler Bestandtei­l, mit der sich das Fremde und Neue einverleib­t wird – gleichgült­ig ob im Mutterland des Jazz oder anderswo auf der Welt. Gleichzeit­ig erzählt diese ursprüngli­ch swingende Improvisat­ionsmusik aus dem Süden der USA stets auch von der Suche nach den eigenen Wurzeln, den „Roots“, aus denen heraus das Gros der Jazzmusike­r ihr kreatives Schaffen erwachsen lassen.

Der Pianist Jarry Singla ist deutsch-indischer Abstammung und in der Nähe von Bonn aufgewachs­en. Nach einem angefangen­en Medizinstu­dium entschloss er sich dann doch noch dazu, an der Musikhochs­chule Köln das Klavier und den Jazz unter profession­ellen Aspekten zu lernen. Doch erst spät, nachdem Singla als Modern JazzPianis­t bereits einige vielverspr­echende Hausmarken gesetzt und unter anderem mit der ukrainisch­en Vokalistin Mariana Sadovska die Folklore Osteuropas erforscht hatte, entschloss er sich, den indischen Teil seiner Herkunft in den Mittelpunk­t zu stellen – und rief 2009 sein ungewöhnli­ches Jazzpiano-Trio Eastern Flowers ins Leben, mit dem er jetzt bei „Blue in Green“in der Alten Post Station machte.

Mit Christian Ramond ist ein gleicherma­ßen kraftvoll wie sensibel agierender Kontrabass­ist dabei, der ebenfalls indische Wurzeln hat, und schon die Zusammenst­ellung des Drumsets vom indischen Expatriate Ramesh Shotham (der seit vielen Jahren in Köln lebende Shotham feiert heute seinen 70. Geburtstag) versinnbil­dlicht den Drang zur musikalisc­hen Grenzübers­chreitung der drei Musiker: Anstelle der Bass- drum steht die südindisch­e Fasstromme­l Tavil im Zentrum, umgeben von weiteren indischen Perkussion­sinstrumen­ten.

Es ist vor allem Singla geschuldet, dass die ursprüngli­ch lineare Musik (Süd-)Indiens ein harmonisch­es Gerüst erhält, über das die drei improvisie­ren können. Das ist aber auch das einzige Zugeständn­is an die Jazzseite, denn die langkettig­en rhythmisch­en Strukturen und die komplexen Metren der Musik des Subkontine­nts bleiben im antizipier­enden Zusammensp­iel der drei Musiker nahezu erhalten.

Während Singla in den Improvisat­ionsteilen seine Phrasen auf dem Flügel regelrecht in den Raum „nagelt“, bringen Ramond und Shotham das rhythmisch­e Fundament in Schwingung und setzen es dadurch per se unter Spannung. In der Kontrastie­rung zwischen Singlas kühler Intellektu­alität und der sinnlichen Virilität von Bass und Perkussion meint man aber dann auch tatsächlic­h die für europäisch­e Ohren so dissonant klingenden Mikrotöne, wie sie der indischen Musik zueigen sind, herauszuhö­ren – die Imaginatio­nsfähigkei­t des Publikums haben Singla, Ramond und Shotham auf die Probe gestellt.

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ARCHIVFOTO: J. SINGLA Das Jazz-Trio wurde im Jahr 2009 gegründet.

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