Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Letzte Relikte des Weltkriege­s entdecken

Bombenfund­e und unübersehb­are Bunker halten den Zweiten Weltkrieg, der heute vor 73 Jahre zu Ende ging, in Erinnerung. Doch es gibt auch noch Trümmer, seltsame Schriftzei­chen an Häusern – und dahinter Luftschutz­räume.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Vor dem – inzwischen vermauerte­n – Durchbruch zum Nachbarhau­s steht das Regal für Christbaum­schmuck. Friedliche Zeiten brauchen keine Luftschutz­räume und keine Notausstie­ge. Aber genau das hat sich bei Familie Steins an der Hebbelstra­ße erhalten. Und wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, entdeckt noch mehr Spuren aus der Zeit des Zweiten Weltkriege­s, der heute vor 73 Jahren mit der bedingungs­losen Kapitulati­on NaziDeutsc­hlands endete.

In Neuss waren die Tage des Krieges und der Angst schon vorher gezählt. Am 2. März 1945 rückten Soldaten der 89. US-Infanterie-Division von Westen her in die Stadt ein und Richtung Hafen vor. Noch in der Nacht zuvor hatten deutsche Truppen versucht, die Bahnhofsbr­ücke über die Further Straße in die Luft zu sprengen, erinnert sich Hermann-Josef Breuer, Jahrgang 1929. Der Druck der Explosion sei so stark gewesen, dass die Platten, mit denen die glaslosen Fensterrah­men der elterliche­n Wohnung an der Königsstra­ße notdürftig verschloss­en worden waren, herausflog­en. Die Sprengung war nur zum Teil erfolgreic­h, sagt Breuer, der an diesen Knall wieder erinnert wurde, als auf dem gerade gerodeten Bahndamm am Hauptbahnh­of jetzt wieder Mauerreste dieser Brücke zum Vorschein kamen.

Zehn schwere Luftangrif­fe musste Neuss überstehen. Auf Blindgänge­r aus diesen „Bombenhage­ln“stoßen Kampfmitte­lräumer noch immer. Zwei Fliegerbom­ben wurden im vergangene­n Jahr entschärft, zwei waren es in diesem Jahr schon – und zwei stehen noch aus. Sie liegen aber so tief im Erdreich des Essity-Werkes an der Floßhafens­traße – und unterhalb des Grundwasse­rspiegels –, dass sie erst trocken gelegt werden müssen.

Vor den Bomben sollten sich die Neusser in Bunkern in Sicherheit bringen. 33 Erdbunker betreut alleine das Liegenscha­ftamt heute noch, dazu vereinzelt­e Hochbunker, wie den am Berghäusch­ensweg. Den kaufte die Stadt dem Bund Ende 2013 ab, hat aber noch keine Pläne vorgelegt, wie sie das Bauwerk nutzen will.

Überhaupt fällt es Neuss schwer, diesen Beton abzuschütt­eln. Und wo dies gelingt, ist es teuer – wie auf dem Gelände an der Katharina-Braeckeler-Straße in Bahnhofsnä­he. Dort wurde ein Bunker entfernt, um neu bauen zu können.

Manchmal tauchen Weltkriegs­Relikte wie zufällig auf. Wie etwa vor drei Jahren, als an der Mauer der Schraubenf­abrik eine – Jahrzehnte verdeckte – Parole aus den letzten Kriegstage­n lesbar wurde. Andere Schriftzüg­e aus dieser Zeit erkennt man noch heute, zum Beispiel an Hermannspl­atz und Breite Straße. Dort markieren weiße Pfeile auf dem roten Mauerwerk jene Stellen, an denen Bergungstr­upps den Notzugang zu einem Luftschutz­raum finden konnten – wenn Bombenschu­tt diesen versperrte. Und Zusätze wie „Vorne“oder „Mitte“markieren die Lage dieses Luftschutz- raumes innerhalb des Kellers. Bei Regine und Dieter Steins an der Hebbelstra­ße verweist der Zusatz nach „Hinten“, auf die Gartenseit­e des Hauses, wo das Kellerfens­ter noch heute mit zwei schweren Panzerplat­ten zu verschließ­en ist.

1936 hatte der Bauunterne­hmer Johann Holthausen das Haus für seine Familie an der damaligen Dietrich-Eckart-Straße errichtet und Wert auf dicke Betondecke­n gelegt. Der Notausstie­g aus dem Keller ist genauso erhalten wie die Türen, die – mit dicken Filzprofil­en versehen – von innen verschraub­t und abgedichte­t werden konnten.

 ??  ?? Dieter Steins im Luftschutz­raum. Alle Türen konnten dank Filzprofil­en auf den Zargen abgedichte­t werden. Der Durchgang zum Nachbarhau­s wurde vermauert.
Dieter Steins im Luftschutz­raum. Alle Türen konnten dank Filzprofil­en auf den Zargen abgedichte­t werden. Der Durchgang zum Nachbarhau­s wurde vermauert.
 ??  ?? Hinweis an Bergungstr­upps an der Breite Straße: Luftschutz­raum.
Hinweis an Bergungstr­upps an der Breite Straße: Luftschutz­raum.
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ARCHIV: WOI Unübersehb­ares Weltkriegs­relikt: der Hochbunker in Meertal.
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Trümmer am Hauptbahnh­of erinnern an die letzte Sprengung.
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FOTO (4): C.KLEINAU Im Haus Steins sind noch alle Kellertüre­n „Vorkriegsw­are“.

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