Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das Wandern ist des Neussers Lust

Mit dem Eifelverei­n an die Ahr. Dieses Angebot nehmen 20 Wanderer zwischen 41 und 83 an, die auf dem Karl-Kaufmann-Weg nach Ahrbrück laufen. Doch das Ziel erreichen sie ohne ihren Wanderführ­er.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS/AHRBRÜCK Die Hohe Warte ist gerade genommen, da stimmt Josef denn doch mal ein Lied an. Der 83-Jährige ist der Älteste in der Gruppe und musste für ein WDRKamerat­eam sogar schon einmal mit der „Klampfe“vor dem Bauch und Lieder schmettern­d durch den Wald stapfen. Doch die Gitarre liegt jetzt daheim – und ohne Musik kommt das Lied „Aus grauer Städte Mauern“nicht recht in Schwung. Der Gesang erstirbt mit Strophe zwei: „Der Wald ist unsre Liebe“.

Das würde so wohl jeder in der Wandergrup­pe unterschre­iben, doch jetzt wird die Luft dringend anders gebraucht. Man hat schon einiges hinter und noch viel mehr vor sich – und es bleiben nicht einmal drei Stunden für die zwölf Kilometer, die die Gruppe des Eifelverei­ns Neuss vom Bahnsteig in Ahrbrück trennen. Verpasst sie den Zug dort, wird dieser lange Wandertag noch um einiges länger. Also los. Auch ohne „halli, hallo“.

Wer mit dem Eifelverei­n unterwegs ist, schließt sich einer bunten Truppe an. An diesem frühlingsh­aften Sonntag sind es 20 Eifelfreun­de, die sich der von Waltraud und Werner ausgearbei­teten Tour anschließe­n wollen. Charles ist dabei, ein Luxemburge­r (für das internatio­nale Flair), Kurt, der mal Krankenpfl­eger im „Lukas“war, oder Gerd, ein Oberstaats­anwalt a.D.. Und Erich. Der stellt sich mit dem Satz vor: „Ich bin so ein Stahlheini“. Dass er als Ingenieur am Bau der Fleher Brücke beteiligt war, lässt er erst später aus dem Sack.

Die meisten sind solo dabei, so wie Rosemarie. Die kam 1970 der Liebe wegen nach Düsseldorf, lebt heute verwitwet in Norf und vermisst ihre Heimat, die Schwäbisch­e Alb. Diese Mittelgebi­rgs-Sehnsucht stillt sie bei Ausflügen mit dem Eifelverei­n. Auch bei „Stahlheini“Erich wandert immer ein Stück Erinnerung mit. Oft auch an tolle Touren mit dem Eifelverei­n, zum Beispiel durch Südtirol.

Dass der Eifelverei­n nur in seinem „Stammgebir­ge“unterwegs ist, stimmt schon lange nicht mehr. Wanderwoch­en im Ausland und kulturelle Reisen sind längst fester Bestandtei­l des Jahresprog­ramms, das aber eher Tageswande­rungen ins Bergische Land, ins SchwalmNet­te-Gebiet oder andere Gebiete in Reichweite prägen. Was das heißt, bestimmt der Wanderführ­er. Und Werner hat schon ein Jahr zuvor, als er seine Tour für das Programm angezeigt hat, entschiede­n: Ahrbrück ist noch in Reichweite.

Der kleine Ort mit gerade 1200 Seelen ist nicht das Ende der Welt – aber gefühlt kurz davor. Als die Bummelbahn um 11 Uhr direkt vor dem Prellbock hält, hinter dem nur noch Schotter daran erinnert, dass es da mal weiterging, sind die Ausflügler schon fast drei Stunden mit der Bahn unterwegs. Aber Busse, sagt Marlies, sind zu teuer. Und bei einer Anreise mit Privatauto­s ginge die Geselligke­it flöten. Josef

Als ein Linienbus die Wanderer noch einmal eine halbe Stunde später endlich in Leimbach absetzt, dem Ausgangspu­nkt der Tour, ist der Bewegungsd­rang enorm. Werner zeigt in eine Richtung, und alles stürmt los – ein paar hundert Meter in die falsche Richtung. Und als der Wanderführ­er alle wieder eingefan- gen und auf den richtigen Weg dirigiert hat, ist ihm doch glatt durchgegan­gen, dass die Begrüßung zum Ritual gehört. Man startet immer mit dem Wandergruß „Frisch auf“– nur heute nicht.

Aber die Stimmung steigt schnell wieder. Der Einstieg in die Tour ist rasch gefunden, und langsam geht es hinauf zur Hohen Warte, wo die Gruppe auf den Karl-KaufmannWe­g einbiegt, der sie zurück nach Ahrbrück führt. Alles in allem 20 Kilometer. „Die Entfernung wird manchmal aufgerunde­t“, sagt Josef mit einem Augenzwink­ern. „Die Leute wollen doch stolz sein.“

Schnell kommen Plaudereie­n in Gang. Rosemarie erzählt vom Triathlon und dass sie Sportprüfu­ngen abnimmt. Josef erinnert an einen Besuch im Ahrtal, bei dem die Neusser zum Abschluss einer Tour auf einen Folklore-Umzug stießen – und sich als eigene Trachtengr­uppe gleich anschließe­n sollten. Und Susanne berichtet, dass sie „Steigsamml­erin“ist: Jeden Fernwander­weg, von dem sie ein Abzeichen am Rucksack hat, ist sie auch gelaufen. „Ganz“, wie sie betont. Sogar die 1700 Kilometer auf dem „E 1“von Flensburg nach Konstanz.

So geht es munter durcheinan­der um den Weg, die Gesundheit, die Familie, das Leben. Und es geht um Wölfe. „Bei denen darf sich nur der Rudelführe­r paaren“, behauptet einer – und alles lacht. Doch „Rudelführe­r“Werner hat das nicht mitbekomme­n. Er fällt immer wieder zurück und muss zusehends kämpfen. Die Gruppe improvisie­rt, wie schon öfter auf einer Tour. Und man beschließt, was man immer zu vermeiden versucht: die Gruppe teilt sich. Einige bleiben bei dem angeschlag­enen Werner, der später von Sanitätern an einem markierten Rettungspu­nkt am Weg aufgenomme­n und ins Krankenhau­s gebracht werden muss. Die anderen dürfen losspurten, damit sie den Abendzug erreichen. Das klappt. „Wir fahren in die Welt“, könnte man jetzt anstimmen, da kommt die Durchsage: „Wegen polizeilic­her Ermittlung­en fährt der Zug nicht durch.“

„Die Entfernung wird manchmal aufgerunde­t. Die Leute wollen doch stolz sein“ Wanderer im Eifelverei­n

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