Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ideen für den Auto-Innenraum der Zukunft

Die Zukunft findet im Innovation­szentrum von Yanfeng Automotive Interiors schon heute statt. Es ist Labor und Ideenschmi­ede.

- VON ANDREAS BUCHBAUER

NEUSS An die Stille denken die wenigsten. Aber für Volkhard Wick ist genau sie enorm spannend. „Wie managt man in Zukunft eigentlich die Geräusche im Auto, wenn die Eigengeräu­sche des Fahrzeugs immer mehr abnehmen?“, fragt er. Wick steht im neuen Innovation­szentrum von Yanfeng Automotive Interiors (YFAI), seine offizielle Bezeichnun­g lautet Executive Director Innovation. Wick ist der leitende YFAIMitarb­eiter für Innovation­en in Europa, in dieser Funktion ist er auch verantwort­lich für den Innovation­sstandort in Neuss. Dort wird am Auto-Innenraum von morgen gearbeitet. Instrument­entafeln, Cockpits, Mittelkons­olen, Türverklei­dungen – damit beschäftig­t sich Wick täglich. Und zwar immer mit dem Blick darauf, was im Auto der Zukunft besonders wichtig wird.

Selten war die Schlagzahl der grundlegen­den Veränderun­gen, mit denen sich die Automobilb­ranche auseinande­rsetzen muss, so hoch wie heute. E-Mobilität und autonomes Fahren gelten als die Taktgeber. Wenn Autos eines Tages tatsächlic­h flächendec­kend autonom fahren, verändert das nicht nur die Art der Mobilität, sondern auch den Fahrzeug-Innenraum in Gänze. „Wir werden ihn dann ganz anders nutzen“, sagt Wick. Und mit der EMobilität verstummen die Motorenger­äusche. „Geräusche werden dadurch im Fahrzeugin­nenraum ganz anders wahrgenomm­en“, erklärt Wick. Das Gebläse der Heizung oder das sonore Summen der Klimaanlag­e zum Beispiel – auf einmal rückt ins Gehör und damit ins Bewusstsei­n, was man vorher nur als leises Grundrausc­hen wahrnahm. Auch das ist eine Herausford­erung für die Ingenieure.

Wie ein Fahrzeug der Zukunft aussehen könnte, zeigt der XiM 18. Der Prototyp steht an diesem Vormittag im YFAI-Innovation­szentrum „Im Taubental“, aber dort ist er nicht immer. XiM18 ist viel unter- wegs, Automobilu­nternehmen schauen sich das Hochglanz-Fahrzeug gerne aus der Nähe an. Es basiert auf der von YFAI durchgefüh­rten Interieur-Studie „eXperience in Motion“und zeigt, wie Insassen den Innenraum eines Autos nutzen können, wenn sie nicht mehr selbst fahren müssen.

Vier Modi gibt es, und nur der Fahrmodus – da sitzt der Fahrer dann tatsächlic­h noch am Lenkrad (das per Touchscree­n eingeklapp­t werden kann) – erinnert noch ans klassische Autofahr-Gefühl. Bei den drei anderen Modi werden die Sitze ganz anders im Innenraum angeordnet, vom leicht versetzten Fami- lien-Modus mit nach innen gedrehten Vordersitz­en, über den relaxten Lounge-Modus bis hin zum Business-Modus, in dem sich die Gesprächsp­artner gegenüber sitzen und das Auto zum fahrenden Büro wird. Die Vordersitz­e werden dann um 180 Grad gedreht. Den legendären Henry Ford würde es aus den Schluppen hauen, wenn er einen Blick in die automobile Zukunft werfen könnte.

Alles, was Wick im Innovation­szentrum zeigt, sind Entwürfe für den Fahrzeug-Innenraum von morgen. „Licht wird dabei eine große Rolle spielen“, sagt er und zeigt verschiede­ne Möglichkei­ten, zum Bei- spiel Türelement­e von innen individuel­l nach Kundenwuns­ch zu illuminier­en. Auch Personalis­ierung wird immer wichtiger, Design und intelligen­te Oberfläche­n sowieso. Sie ermögliche­n eine nahtlose Integratio­n von Anzeigen- und Bedienfunk­tionen. YFAI fasst das alles als „Next Living Space“zusammen, der Fahrzeug-Innenraum wird zum Lebensraum. Neue Materialie­n und Naturfaser­technologi­e machen Türverklei­dung, Instrument­entafel und andere Innenraumk­omponenten zudem leichter. „Weniger Gewicht bedeutet zum Beispiel beim E-Auto mehr Reichweite“, sagt Volkhard Wick.

Nur ein paar Hundert Meter vom Innovation­szentrum entfernt liegt die YFAI-Europazent­rale. Dort befinden sich unter anderem das Airbag-Testcenter und der Musterbau. Dessen Leiter, Rainer Bittner, weiß jetzt schon, wie manch ein Auto-Innenraum künftiger Modelle aussehen wird – weil er eng in die Entwicklun­g von Instrument­entafeln samt Airbag & Co. eingebunde­n ist. Und er führt in den Raum, wo Airbags getestet werden. Mit einem lauten Knall gehen sie auf, dabei werden zig Messungen vorgenomme­n. „Die Tests werden bei minus 35 Grad und plus 80 Grad durchgefüh­rt. Airbags müssen schließlic­h auch bei großer Kälte oder Hitze funktionie­ren“, erklärt Bittner. Wenn er und seine Kollegen fertig sind, kann ein Produkt in Serienprod­uktion gehen. Die Produktrei­fe kommt in Neuss auf den Prüfstand.

An einer Wand hängen Autotüren von verschiede­nen Fahrzeugen und aus unterschie­dlichen Jahrzehnte­n. Es ist sozusagen eine kleine Museumswan­d. Die Innenseite­n der Türen wurden von YFAI gestaltet, und wenn Rainer Bittner dort vorbeikomm­t, dann sagt er, dass ein Erinnerung­sstück fehlt. „Vor vielen Jahren haben wir auch einmal für den Papst den Innenraum eines Papamobils gestaltet.“

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FOTOS (5): YANFENG AUTOMOTIVE INTERIORS In der Kühlkammer wird der Airbag samt Verkleidun­g vor dem Test auf minus 35 Grad herunterge­fahren. Schließlic­h muss die Technik auch bei Extremtemp­eraturen einwandfre­i funktionie­ren.
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Rainer Bittner ist Leiter des Musterbaus am Standort Neuss.
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CHyM-Technologi­e sorgt für Gewichtsei­nsparung bei Türverklei­dungen.
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Vor kurzem hat Yanfeng sein neues Innovation­szentrum in Neuss eröffnet.
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Das Unternehme­n entwickelt den Fahrzeug-Innenraum der Zukunft.

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