Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
So schön ist der „Dom an der Erft“
Die Gustorfer Pfarrkirche St. Maria Himmelfahrt wird wegen ihres imposanten Erscheinungsbildes auch „Erftdom“genannt. Konrad Sturm aus Gindorf kennt alle Geheimnisse des Gotteshauses, das 1872 errichtet wurde.
GUSTORF/GINDORF Warum die Gustorfer und Gindorfer stolz auf ihre Kirche sind, kann Konrad Sturm auf den Punkt bringen: „Sie ist eine Rarität am Niederrhein“, sagt das Mitglied des Ortsausschusses. Was ihre Größe und Ausstattung betrifft, sucht St. Maria Himmelfahrt ihresgleichen in der näheren und weiteren Umgebung. Nicht umsonst wird das prachtvolle Gotteshaus ehrfürchtig auch „Dom an der Erft“genannt. Und nicht umsonst hat Konrad Sturm, der die Kirche wie seine Westentasche kennt, ihr eine Broschüre als Wegweiser gewidmet. Darin beschreibt er all die Besonderheiten, die sie auszeichnen. Und zu beinahe jeder kann er auch eine Geschichte erzählen.
Schon von außen ragt die Pfarrkirche im Stil einer dreischiffigen Basilika mit einem nördlichen und einem südlichen Querhaus sowie drei Chorapsiden imposant in die Höhe. Beim Eintritt in die Kirche fällt dem Besucher neben der dezenten Musik gleich die klare architektonische Gliederung auf: Hohe gotische Spitzbögen, die auf Rundpfeilern mit Blattkapitellen ruhen, geben die Sicht in die Seitenschiffe frei. Sämtliche Rippen des Gewölbes werden beidseitig von einem grünen Rankenmuster begleitet. Von ihrer ursprünglichen Ausstattung und Inneneinrichtung ist heute nichts mehr vorhanden. Ins Auge fällt der außergewöhnliche Hochaltar, der den Chorraum prägt und der von einem aufwendig gestalteten Baldachin aus Messing, Ciborium genannt, überdacht ist. „Der Altar stammt aus der Kapelle zum Guten Hrírten in Namur in Belgien und ist eine Schenkung der dortigen Jesuiten“, weiß Sturm. „Er ist in den Jahren 1916 bis 1922 im Atelier Haan in Antwerpen entstanden und war damals ein Geschenk des Namurer Bischofs Heijlen an die Schwestern vom Guten Hirten.“
Mit Harrie de Zwart (88) hatte die Gemeinde einen Schöngeist als Pastor. Ihm ist auch der neugotische Stil der Kirche zu verdanken, ebenso wie der prunkvolle Altar, mit dessen Schenkung auch Figuren und Kerzen nach Gustorf kamen. „Dagegen haben wir uns natürlich nicht gewehrt“, sagt Konrad Sturm schmunzelnd. Zahlreiche Heilige versam- meln sich in dem Gotteshaus, unter anderem der Heilige Norbert, der auf die Verbindung zum Kloster Knechtsteden verweist. Sankt Quirinus steht für den Rhein-Kreis Neuss, und der Heilige Michael ist ein „Überbleibsel“des Michael-Altars. Überaus wertvoll ist auch die Mutter Gottes aus dem Jahr 1408, die einst im alten Hochaltar ihren Platz hatte.
Während früher kleine Glasglocken in den Bögen für stimmungsvolles Licht sorgten, illuminieren nun große Leuchter, die für eine niederländische Barockkirche gemacht worden waren, die Kirche.
Die Fenster stammen aus den 1950er-Jahren. „Durch die Kriege wurde viel zerstört, doch Gustorf hat dreimal Glück gehabt: Die romanische kleine Kirche ist 1872 abgerissen worden und dank der Unterstützung der gut betuchten Familie Sinsteden wieder aufgebaut worden. Natürlich wollten sie Mitspracherecht bei der Gestaltung haben – so wurde die Kirche nach dem Vorbild der Minoritenkirche in Köln gebaut. Diese Familie hat auch ein Krankenhaus gebaut, in dem sich heute die Lebenshilfe findet“, berichtet Sturm. Der Grund: „Die Familie hat unter der Säkularisation so viel Land bekommen und wollte der Kirche etwas zurückgeben.“Das zweite Glück: „Die Kriegsschäden konnten beseitigt werden. Der Kirchenvorstand und viele freiwillige Helfer sind Ende der 1940er-Jahre von Haus zu Haus gegangen und haben für die Kirche gesammelt – hier zehn, da 20 Pfennig.“
Und das dritte Glück der Gustorfer und ihrer Kirche: „Harrie de Zwart. Die Kirche trägt seine Handschrift. Gustorf ist nur ein kleiner Fleck auf der Landkarte und steht trotzdem im Katalog der Unesco“, sagt Sturm. „Grund dafür sind die besonderen Steinreliefs, die im Jahr 1938 für 56.000 Reichsmark – also für Monopolygeld – nach Bonn verkauft wurden. Heute sind sie Millionen wert.“
Als Harrie de Zwart 1976 nach Gustorf gekommen war, habe er zunächst die Urkunden gesichtet. 2000 sind die Repliken der mittelalterlichen Gustorfer Chorschranken, deren Originale sich im Bonner Landesmuseum befinden, nach Gustorf gekommen. Sie sind rund um den Taufstein von 1130 aus der ersten Gustorfer Kirche angeordnet und zeigen die Geburt und Auferstehung Jesu. Auch die Fenster sind künstlerisch sehr wertvoll: Sie zeigen die Taufe im Alten und Neuen Testament.
Eine weitere Besonderheit: Im Jahr 2000 wurde mit einem Carillon am Turm ein Herzenswunsch von Pfarrer Harrie de Zwart erfüllt – 37 Glocken spielen seitdem Melodien für jeden Anlass, vom Marienlied bis zum Karnevalsschlager. „Am ganzen Niederrhein wird man keine schönere Kirche finden. Sie ist eben der Dom an der Erft“, berichtet Konrad Sturm.