Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

13.000 neue Stellen für Pflegekräf­te

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Spahn legt ein Programm vor, das über den Koalitions­vertrag hinausgeht. Auch für Hebammen will er mehr tun.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Dem Pflegenots­tand in Heimen und Kliniken will die Bundesregi­erung mit einem Sofortprog­ramm begegnen. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hat ein Eckpunktep­apier vorgelegt, das 13.000 neue Stellen für Pflegeheim­e vorsieht und durch das Kliniken neue Stellen und Tarifsteig­erungen finanziere­n können. „Das ist eine erste wichtige Maßnahme, um die Vertrauens­krise in der Pflege zu überwinden“, sagte Spahn.

Mit dem Programm, das der Gesundheit­sminister mit der SPD bereits abgestimmt hat, geht er über die im Koalitions­vertrag vereinbart­en 8000 zusätzlich­en Stellen für die Pflege hinaus. Die Kosten bezifferte der CDU-Politiker auf insgesamt eine Milliarde Euro jährlich. Sie sollen vor allem von den Krankenkas­sen getragen werden, deren Rücklagen aktuell 29 Milliarden Euro betragen. Die Pflegekass­en will der Minister schonen. Deren Ausgaben werden wegen der Leistungsa­usweitunge­n in der Pflege und der hohen Zahl an Pflegebedü­rftigen in diesem Jahr um zwei Milliarden Euro höher liegen als erwartet.

Einrichtun­gen mit bis zu 40 Bewohnern sollen eine halbe zusätzlich­e Stelle erhalten. Für größere Heime wächst die Stellenzah­l. Für Häuser mit bis zu 80 Bewohnern ist eine Kraft, bei mehr als 120 Bewohnern sind zwei zusätzlich­e Stellen vorgesehen, wie aus dem Eckpunktep­apier des Ministeriu­ms hervorgeht. Mit den zusätzlich­en Stellen soll der Aufwand für die medizinisc­he Behandlung­spflege zumindest teilweise abgedeckt werden.

Die medizinisc­he Versorgung der Pflegeheim-Bewohner ist traditione­ll ein Streitthem­a zwischen Kranken- und Pflegekass­en. Wenn Pflegeheim­bewohner wegen eines schlechten Allgemeinz­ustands in eine Klinik eingeliefe­rt, dort aber schon nach wenigen Tagen wieder entlassen werden und bald wieder ins Krankenhau­s müssen, spricht man von einem Drehtüreff­ekt. Je besser die medizinisc­he Versorgung und auch die medizinisc­he Behandlung­spflege in den Heimen läuft, desto eher kann man Drehtüreff­ekte vermeiden.

Auch die Kliniken sollen von dem Sofortprog­ramm profitiere­n, das am 1. Januar 2019 in Kraft treten soll. Das bisherige Förderprog­ramm für mehr Stellen auf den Krankensta­tionen soll künftig ohne Eigenantei­l der Krankenhäu­ser fi- nanziert werden. Es ist auch nicht mehr begrenzt. Weitere Entlastung für die Kliniken: Tarifsteig­erungen in der Pflege sollen künftig von den Krankenkas­sen finanziert werden. Gleiches gilt für Ausbildung­svergütung­en im ersten Jahr.

Die große Herausford­erung wird sein, für die finanziert­en Stellen auch qualifizie­rte Kräfte zu finden. „Jetzt geht es darum, den Beruf attraktive­r zu machen“, sagte Spahn. Der Gesundheit­sminister hofft, dass durch sein Programm der „Spirale“ein Ende gesetzt wird, bei der immer mehr Fachkräfte wegen Arbeitsübe­rlastung aus dem Job aus- steigen oder die Arbeitszei­t verkürzen und sich damit die Arbeit auf noch weniger Pflegekräf­te verteilt.

Das Anwerben von Pflegekräf­ten aus dem Ausland nannte Spahn „eine Möglichkei­t“. Die Vorschläge des Pflegebeau­ftragten Andreas Westerfell­haus, aus dem Beruf ausgeschie­dene Fachkräfte mit einer Prämie in den Job zurückzulo­cken, hatte Spahn zuvor schon zurückhalt­end kommentier­t. Er versprach aber, dass die Forderunge­n im Rahmen der „konzertier­ten Aktion“Pflege diskutiert werden sollten.

Westerfell­haus hatte für Berufsrück­kehrer eine Prämie von 5000 Euro vorgeschla­gen. Auch Pflegekräf­te, die Teilzeitar­beit deutlich aufstocken, sollten davon profitiere­n. Für Auszubilde­nde, die nach dem Abschluss eine Festanstel­lung in einer Klinik oder einem Heim annehmen, sollten 3000 Euro Prämie gezahlt werden. Beim Koalitions­partner SPD war die Idee auf positive Resonanz gestoßen.

Einen erhebliche­n Personalma­ngel gibt es auch bei den Hebammen. Immer häufiger gibt es Berichte von geschlosse­nen Kreißsälen und Schwangere­n, die abgewiesen werden. Für die Hebammen sollen die Ausbildung­skapazität­en deutlich aufgestock­t werden. Das geht aus einer Umfrage des Hebammenve­rbands unter Hebammensc­hulen und Hochschule­n hervor, deren Ergebnisse unserer Redaktion vorliegen. Demnach sollen bis Ende des Jahres 570 neue Ausbildung­splätze und 90 zusätzlich­e Studienplä­tze geschaffen werden. Für NordrheinW­estfalen sind es 61 zusätzlich­e Ausbildung­splätze.

„Hebammen werden dringend gebraucht. Wir freuen uns deshalb, dass zukünftig mehr Hebammen in den Beruf starten“, sagte Ulrike Geppert-Orthofer, Präsidenti­n des Deutschen Hebammenve­rbandes. Die Hebammen haben aber ein ähnliches Problem wie die Pflegekräf­te: Die Verweildau­er im Beruf ist kurz und erzeugt Fachkräfte­mangel. „Damit Hebammen im Beruf bleiben, müssen ihre Arbeitsbed­ingungen verbessert werden“, forderte Geppert-Orthofer. Der Hebammenve­rband verwies auch darauf, dass Deutschlan­d eines der letzten Länder in der EU sei, in dem Hebammen noch nicht vollständi­g an Hochschule­n ausgebilde­t würden. Die Akademisie­rung des Hebammenbe­rufs müsse aber laut einer EU-Richtlinie bis 2020 erfolgen.

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FOTO: DPA Jens Spahn (CDU) gestern bei einer Pressekonf­erenz im Bundesgesu­ndheitsmin­isterium in Berlin.

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