Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Labor für eine Kirche der Zukunft

Mit einer Gemeinde in Allerheili­gen, einer unterstütz­enden Kirche in Derikum und viel Laienarbei­t soll ein neues Modell entwickelt werden.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Im Neubaugebi­et Allerheili­gen will Kirche neu Fuß fassen. „Da muss was passieren“, sagt Michael Linden, der das (ökumenisch geplante) Projekt einer „Gemeindegr­ündung“übernommen hat. Wie diese Gemeinde aussehen soll, die sicher über keine eigene Kirche verfügen wird, das weiß auch der Diakon nicht. Er will sich daher erst einmal auf die Straße stellen, um mit den Menschen über die Frage ins Gespräch zu kommen: „Wie oder was kann Kirche heute sein?“

Die Seelsorgeb­ereiche „Neusser Süden“, die so genannten Apostelgem­einden, und „Rund um die Erftmündun­g“wurden Ende 2016 zu einem Sendungsra­um mit insgesamt acht Gemeinden vereinigt. An dessen Spitze steht Pastor Willi Klinkhamme­r mit seinem Pastoralte­am. Noch. Bistumswei­t werde erwartet, dass die Zahl der hauptamtli­chen Seelsorger in den nächsten nicht einmal zehn Jahren noch einmal um 50 Prozent einbricht, schreibt Klinkhamme­r in einem Pfingstbri­ef an die Gemeinde, mit dem das Pastoralte­am die Gemeinden auf diese Zukunft vorbereite­n und sie zu deren Mitgestalt­ung einladen will.

Diese Zukunft heißt nämlich: Mitverantw­ortung. Sie heißt aber auch: Neues ausprobier­en. „Wir werden traditione­lle Felder abgeben, um Freiräume zu schaffen, Kirche neu zu beleben“, sagt Linden. Dazu dient das Projekt „Kirchliche­s Leben in Allerheili­gen“oder ein Projekt in Derikum, wo die Menschen – angesichts der dort spürbaren sozialen Probleme – Kirche eher als Unterstütz­er erfahren sollen. Neu ist auch ein Angebot mit dem Arbeitstit­el „Mittagsgeb­et im Bauhaus“. Dahinter steckt die Idee, an Orten des Alltags – wie zum Beispiel in Büros oder Supermärkt­en – Kirche präsent zu machen. Etwa durch Einladung zum Gebet. „Wir wollen einfach mal stören“, sagt Linden.

Eineinhalb Jahre Vorbereitu­ng stecken in diesem „Labor für eine Kirche der Zukunft“. Dass der Kurs richtig ist, unterstric­h zwischenze­itlich die Tatsache, dass im Pfarrver- band „Rund um die Erftmündun­g“die Pfarrgemei­nderatswah­l ausfallen musste, weil sich nicht genug Bewerber fanden. Als Reaktion darauf wurde nicht einfach nur eine neue Kandidaten­suche gestartet, sondern ein Alternativ­konzept entwickelt. Das wirbt um Engagement – ohne dass man sich für längere Zeit an ein Amt binden (lassen) muss.

Mit dem Pfingstbri­ef nun wurde dieses Angebot wiederholt. Im Pastoralte­am seien die Aufgaben neu verteilt worden, schreibt Klinkhamme­r, der seinem Brief eine „Aufgabenta­belle“hinzugefüg­t hat. Die wenigsten Aufgaben dabei sind alleinige Sache der Seelsorger, viel mehr sollen Haupt- und Ehrenamtli­che in geteilter Verantwort­ung leisten. Darunter sind auch die Felder gefasst, aus denen sich das Pastoralte­am künftig zurücknehm­en könnte. Die Gemeinden müssten dann entscheide­n, ob ihnen das Thema weiter wichtig ist, sagt Linden. So lange bleibe das Pastoralte­am „das Netz unter dem Hochseil“. Doch immer mehr Aufgaben werden auch ganz in die Hände von ehrenamtli­chen Laien gelegt.

„Wir versuchen, uns an die Ursprünge des Christentu­ms zu halten“, sagt Linden mit Blick auf Pfingsten, als nur eine Handvoll Menschen anfing, Kirche Christi zu sein. „Es kommt offenbar weniger auf unsere Zahlen an, als auf unser frohes Überzeugts­ein“, ergänzt Pfarrer Klinkhamme­r.

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