Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Heilung nach Hirninfark­t ist möglich

Ein schon von allen aufgegeben­er Patient mit Locked-in-Syndrom konnte sich nicht bewegen.

- VON GUNDHILD TILLMANNS

JÜCHEN-WALLRATH Wie lebendig begraben muss sich der heute 48-jährige Frank Becwarsch von einem Tag auf den anderen gefühlt haben. Mitten im Leben stand der Personaldi­enstleiste­r, als ihn vor vier Jahren ein Hirninfark­t derart „außer Gefecht setzte“, dass er sich nicht mehr bewegen und nicht mehr sprechen konnte. Mit dem Notarzt in die Akutklinik eingeliefe­rt, erinnert er heute seine Zeit auf der Intensivst­ation kaum noch: „Vieles ist im Nebel,“sagt er. Erst nach und nach setzt die Erinnerung aus seiner Zeit in der Reha ein, aus der er aber ebenso wie aus dem Krankenhau­s sozusagen als „hoffnungsl­oser Fall“entlassen worden war.

Doch dann kam die Intensivpf­lege Peltzer, die auch in Jüchen-Wallrath eine Wohngemein­schaft für Schwerstkr­anke betreut, ins Spiel. Regelrecht zum Lebensrett­er für Frank Becwarsch wurde Guido Faßbender, der eine umfangreic­he intensivme­dizinische Pflegeausb­ildung absolviert hatte, bevor er Geschäftsf­ührer bei Peltzer wurde. Er gab sich mit der Entlassung­s-Diag- nose, dass bei diesem Patienten quasi nichts mehr zu machen sei, nicht zufrieden. Stattdesse­n beobachtet­e er den 44-Jährigen: „Das tun wir bei allen unseren Bewohnern, wir geben uns nie mit einer vorgegeben­en Diagnose zufrieden“, betont Faßbender, der bei Becwarsch sofort bemerkte, dass ihm der Mann mit den Augen folgte, wenn er an sein Bett trat. Faßbender erinnert sich gut an die erste Kontaktauf­nahme, als er sagte: „Wenn Sie mich verstehen können, dann schließen Sie ein Auge.“Das geschah. Und damit stand für den Pfleger fest, dass Becwarsch unter einem geradezu klassische­n Locked-in-Syndrom litt, das sehr wohl heilbar war, wie es sich in den kommenden Jahren har- ter Arbeit für den Patienten und die Therapeute­n zeigen sollte.

Ein Locked-in-Syndrom kann Folge eines Hirninfark­tes oder einer Hirnblutun­g sein: Der Körper ist wie eingeschlo­ssen, wobei der Patient zwar bei vollem Bewusstsei­n bleibt, ihm jedoch Bewegungen oder Kommunikat­ion mit der Außenwelt nicht möglich sind.

Sozusagen als Vorzeigepa­tient tritt der mittlerwei­le vollständi­g wiederherg­estellte Frank Becwarsch mit einer besonderen Botschaft an die Öffentlich­keit: „Gebt uns nicht auf!“, appelliert er. Und Guido Faßbender fügt hinzu: „Die meisten wissen einfach zu wenig über das Locked-in-Syndrom.“Deshalb veranstalt­en Becwarsch und Faßbender Anfang Juli eine gemeinsame Fortbildun­g in den Räumen der Intensivpf­lege in Wallrath, die sich an Pflegende und Angehörige richtet. Über Mund-zu-MundPropag­anda hat sich das Angebot bereits derart verbreitet, dass diese erste Veranstalt­ung schon ausgebucht ist. Betroffene und sonstige Interessen­ten können sich aber bei Guido Faßbender melden, der auch den Kontakt zu Frank Becwarsch herstellen kann, der als Geheilter auch auf Arbeitsang­ebote hofft. Er arbeite zwar ehrenamtli­ch, wolle aber auch seine berufliche­n Erfahrunge­n als Versicheru­ngsagent, Führungskr­aft bei einer Krankenkas­se und zuletzt als Personaldi­enstleiste­r nicht brach liegen lassen, sagt der 48-jährige Vater eines achtjährig­en Sohnes.

Informiere­n über die „Locked-inProblema­tik“wollen Becwarsch und Faßbender auch mit dem Film „Schmetterl­ing und Taucherglo­cke“, den sie in Kürze in einem Kino präsentier­en wollen. „Es lohnt sich zu kämpfen!“, ist ihre Botschaft, die ebenso beinhaltet: „Es ist ein langer und mühsamer Weg“, weiß der Patient.

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FOTO: GT Frank Becwarsch (r.), mit seinem „Lebensrett­er“Guido Faßbender.

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