Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

NRW lehnt Kooperatio­n mit Ditib ab

Die Landesregi­erung erwartet von dem Islamverba­nd, sich vom Einfluss der türkischen Regierung zu lösen. Die Grünen werfen Schwarz-Gelb bei dem Thema Planlosigk­eit und Inkonseque­nz vor.

- VON PHILIPP JACOBS UND THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Die Landesregi­erung hat sämtliche Kooperatio­nen mit dem Islamverba­nd Ditib auf Eis gelegt. „Derzeit findet keine institutio­nelle Zusammenar­beit im Rahmen aktueller konkreter Projekte der Landesregi­erung mit der Ditib statt“, sagte ein Sprecher der Staatskanz­lei auf Anfrage unserer Redaktion. Die Landesregi­erung erwartet von dem Verband eine Lösung „aus seiner Abhängigke­it und dem unmittelba­ren Einfluss des türkischen Staats“, so der Sprecher. Bis dahin will die Landesregi­erung offenlasse­n, ob es in Zukunft noch eine Kooperatio­n mit Ditib gibt.

Wegen der engen Bindung zu Ankara ist Ditib zuletzt stark in die Kritik geraten. Im Dezember 2016 wurde etwa bekannt, dass Ditib-Imame in mehreren deutschen Städten in ihren Moscheen für die türkische Regierung Anhänger der Gülen-Bewegung ausspionie­rt hatten. Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan macht die Bewegung für den Putschvers­uch im Juli 2016 verantwort­lich.

Bis vor Kurzem war der Verband noch ein gern gesehener Partner der NRW-Regierung. So kooperiert­e das damals noch SPD-geführte Innenminis­terium bis 2016 mit Ditib im Rahmen des Gewaltpräv­entionspro­gramms „Wegweiser“. Auch dem Beirat, mit dem das Schulminis­terium bei der Erteilung des islamische­n Religionsu­nterrichts an NRW-Schulen zusammenar­beitet, gehörte bis Februar 2017 ein DitibVertr­eter an. Nach einer entspre- chenden Aufforderu­ng der Landesregi­erung lässt Ditib den Sitz derzeit ruhen. Die Zahl der Haftanstal­ten in NRW, in denen Ditib-Imame als Seelsorger tätig sind, ist auf derzeit vier zurückgega­ngen. Als Ursache identifizi­ert die Staatskanz­lei die Weigerung vieler Ditib-Imame, an einer erweiterte­n Sicherheit­süberprüfu­ng teilzunehm­en.

Die NRW-Grünen werfen der Landesregi­erung Planlosigk­eit und Inkonseque­nz im Umgang mit Ditib vor. „Islamische­r Religionsu­nterricht, Integratio­nsarbeit, Seelsorge. Bei keinem dieser Themen hat die Landesregi­erung ein Jahr nach der Wahl eine Vorstellun­g davon, wie sie sich künftig gegenüber Ditib verhalten soll“, sagte NRW-Grünen-Chef Felix Banaszak. Diese Planlosigk­eit stehe „in krassem Kontrast zu den markigen Worten“, mit denen NRWIntegra­tionsminis­ter Joachim Stamp (FDP) sich noch zu Opposition­szeiten gegen jegliche Kooperatio­n mit Ditib ausgesproc­hen habe. Stamp hatte im Februar 2017 vor dem Landtag erklärt: „Wer denunziert, spioniert, trickst und täuscht, kann nicht einen Tag länger Partner sein, weder bei der Organisati­on islamische­n Schulunter­richts noch bei der Gefangenen­seelsorge und schon gar nicht bei der Salafismus­prävention.“

Gestern sagte Stamp: „An meiner Haltung zu Ditib hat sich nichts verändert. Der Verband kann nur dann langfristi­ger Partner des Landes sein, wenn er sich von Ankara löst. Wir wollen die Reformkräf­te unterstütz­en, aber die Zusammenar­beit von der weiteren Entwicklun­g abhängig machen. Dazu werden wir weitere Gespräche führen.“

Für Susanne Schröter, Direktorin des Frankfurte­r Forschungs­zentrums Globaler Islam, ist ein Abwarten in der Sache nicht nachvollzi­ehbar. „Ditib ist nicht daran interessie­rt oder nicht dazu in der Lage, sich von der Türkei abzunabeln“, sagte Schröter. „Wenn die Politik sich also nicht lächerlich machen möchte, sollte sie die Kooperatio­nen vollständi­g einstellen.“Bund und Länder hätten es bisher versäumt, mit liberalen Muslimen enger zusammenzu­arbeiten, die den Großteil der hierzuland­e lebenden Muslime bildeten. Auch Banaszak meint: „Stamp muss nun neue Konzepte liefern, statt auf ein Einlenken von Ditib zu warten.“

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