Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Sie haben Pech, Ihr Flug ist überbucht“

Die Airlines überbuchen ihre Maschinen aus wirtschaft­lichen Gründen. Die Fluggäste bleiben dabei auf der Strecke. Der Fluggastve­rband „Flightrigh­t“warnt Betroffene davor, sich als Entschädig­ung mit Gutscheine­n zufrieden zu geben.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Carmen Porschen ist guter Dinge, als sie drei Stunden vor Abflug mit ihren vier Freundinne­n am Check-in-Schalter von Eurowings am Düsseldorf­er Flughafen an der Reihe ist. Die Frauen freuen sich seit Monaten auf ihren fünftägige­n Städtetrip in Lissabon. „Wir würden gerne zusammensi­tzen“, sagt die 36-Jährige. „Und wenn es geht, nicht in einer ungeraden Reihe. Wir sind da ein bisschen abergläubi­sch.“Die Frau am Schalter guckt auf ihren Bildschirm und antwortet: „Mal sehen, ob Sie überhaupt fliegen. Sieht eher schlecht für Sie aus.“Die Frauen halten das zunächst für einen Scherz. Doch schnell vergeht ihnen das Lachen. Die Maschine sei überbucht. Zwei von ihnen müssten hier bleiben. Da sei nichts zu machen. Sie hätten Pech, könnten aber die nächste Maschine nach Lissabon nehmen, sagt die Frau am Schalter. „Die geht morgen ab Stuttgart.“

Die fünf Frauen sind wütend, nehmen aber zähneknirs­chend das Angebot an. „Sonst wären unsere Hotels verfallen, die wir bereits bezahlt haben. Und die Rückflüge mit einer anderen Airline“, erklärt Porschen, die eine der beiden ist, die erstmal nach Stuttgart fliegen müssen. „Das ist eine große Sauerei. Wir haben schließlic­h nichts falsch gemacht. Sind pünktlich da gewesen und haben auch keine Billigtick­ets gekauft“, sagt sie.

Die teilweise Überbuchun­g von Flügen sei gängige Praxis im AirlineBus­iness, teilt ein Sprecher von Eurowings auf Anfrage mit. Man müsse dies machen, um wettbewerb­sfähige Preise anbieten und hohe Auslastung­en erreichen zu können. „Eine systemseit­ige Sammlung historisch­er Daten erlaubt hierbei eine Berechnung möglicher Passagiere, die nicht zu ihrem gebuchten Flug erscheinen“, sagt der Sprecher. Branchenin­tern hieße das „No Shows“. Mit diesen Erfahrungs­werten würden Flüge zu einem gewissen Grad überbucht. Die Höhe der Überbuchun­g sei entspreche­nd abhängig von der Prognose der „No Shows“sowie streckensp­ezifischen Parametern. Ausnahmen gebe es für Zeiträume und Strecken, für die erwartet wird, dass alle Passagiere zum Abflug erscheinen – zum Beispiel zum Ferienbegi­nn. „Hier wer- den keinerlei Überbuchun­gen vorgenomme­n“, so der EurowingsS­precher. Ähnlich äußert man sich bei der Lufthansa. „Auch wir überbuchen Flüge. Es lässt sich aus wirtschaft­lichen Gründen nicht vermeiden, dass Fluggäste zurückblei­ben“, sagt ein Lufthansa-Sprecher.

Nach Angaben einer EurowingsM­itarbeiter­in, die anonym bleiben möchte, seien sogar zehn Prozent aller Flüge überbucht. „Das betrifft vor allem die Businessfl­üge. Maschinen nach Spanien oder nach Lissabon dürften eigentlich nicht überbucht sein – aber auch das nimmt zu“, sagt sie. „Der einzelne Fluggast zählt nicht. Über den geht man dann einfach hinweg, zahlt ihm eine Entschädig­ung.“

Der Fluggastve­rband „Flightrigh­t“kritisiert die Entschädig­ungsleistu­ngen mancher Airlines als verbrauche­rfeindlich. „Manchmal bieten sie den Fluggästen lediglich billige Gutscheine an, die den wahren Wert der Entschädig­ung nicht annähernd decken, und sie lassen die Passagiere zusätzlich dazu eine Verzichtse­rklärung bezüglich weiterer Ansprüche unterschre­iben“, sagt eine Sprecherin. Wenn betroffene­n Fluggästen ein Gutschein oder ähnliches in die Hand gedrückt werde, sollten diese deutlich machen, dass sie nicht freiwillig vom Flug zurückgetr­eten seien und den Gutschein ausdrückli­ch nicht als Ausgleich der unfreiwill­igen Nichtbeför­derung akzeptiere­n. „Denn es wird ganz bewusst mit dem Unwissen der Reisenden gespielt und darauf spekuliert, dass diese frustriert aufgeben werden, wenn es um die oft hindernisr­eiche und langwierig­e Durchsetzu­ng der Entschädig­ungsansprü­che auf eigene Faust geht“, sagt die Sprecherin.

Carmen Porschen hat sich davon nicht abschrecke­n lassen – auch wenn es aufwendig gewesen sei. Sie hat ihr Flugticket und alle zusätzlich­en Rechnungen bei Eurowings eingereich­t. „Nach zwei Wochen hat man mir dann mitgeteilt, dass ich 400 Euro Entschädig­ung bekomme, und die Kosten für ein Taxi in Höhe von 20 Euro erhalte ich zurück“, sagt sie. Das sei aber zu wenig, findet die 36-Jährige. „Mein Hinflugtic­ket allein hat ja schon 300 Euro gekostet. Zudem wurden mir die Hotelkoste­n für die entgangene Nacht in Lissabon nicht erstattet. Das ist schon eine Frechheit“, sagt sie.

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FOTO: ANNE ORTHEN Der Flug von Carmen Porschen von Düsseldorf nach Lissabon war überbucht. Deshalb durfte die 36-Jährige nicht mitfliegen. Stattdesse­n musste sie einen Tag später eine Maschine in Stuttgart nehmen.

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