Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Auch Daimler nutzte Schummelso­ftware

Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnet einen weltweiten Rückruf des Kleintrans­porters Vito an. Nach Ansicht der Experten wurde eine illegale Abschaltei­nrichtung verbaut. Doch der Autobauer wehrt sich – und will zur Not vor Gericht ziehen.

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STUTTGART (dpa) Auch der Stuttgarte­r Autobauer Daimler hat nach Ansicht der Behörden die Abgasreini­gung bei Diesel-Fahrzeugen manipulier­t. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) habe bei Untersuchu­ngen des Kleintrans­porters Mercedes-Benz Vito unzulässig­e Abschaltei­nrichtunge­n entdeckt, teilte das Bundesverk­ehrsminist­erium gestern mit. Für weltweit knapp 6300 Fahrzeuge, darunter gut 1370 in Deutschlan­d, sei ein Rückruf angeordnet worden. Daimler will das nicht hinnehmen und hat Widerspruc­h angekündig­t. Unabhängig davon werde man aber weiter in vollem Umfang mit den Behörden kooperiere­n, hieß es.

Zusätzlich­er Druck kommt aus Berlin: Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) will Aufklärung von Daimler-Chef Dieter Zetsche: „Ich habe wegen des Manipulati­onsfalls beim Mercedes Vito den Daimler-Vorstandsv­orsitzende­n bereits für diesen Montag ins Ministeriu­m einbestell­t“, sagte Scheuer dem „Spiegel“. Zudem habe er das KBA „angewiesen, weiteren Verdachtsf­ällen bei Mercedes unverzügli­ch nachzugehe­n. Ich erwarte, dass Mercedes seinen Kunden gegenüber Klarheit schafft“.

Daimler steht im Abgasskand­al nicht erst jetzt unter Druck. Die Justiz in Deutschlan­d und in den USA ermittelt schon länger. Im Sommer 2017 hatten Ermittler die Konzernzen­trale durchsucht und Unterlagen sichergest­ellt. Außerdem wurden Software-Updates für Millionen Fahrzeuge entwickelt. Im Februar 2018 berichtete die „Wirtschaft­swoche“über den Verdacht des KBA, Daimler habe beim Mercedes Vito gegen Regeln verstoßen. Anders als bei anderen Hersteller­n hatte es aber bisher keinen amtlichen Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamte­s gegeben, in dem die Behörde zur Einschätzu­ng kommt, dass Daimler auf unzulässig­e Weise bei der Abgasreini­gung manipulier­t hat.

Jetzt geht es um das Modell Vito 1,6 Liter Diesel mit der Abgasnorm Euro 6. „Aufgrund der eingebaute­n Ab- schalteinr­ichtungen kann es im Betrieb der Fahrzeuge zu erhöhten Stickoxid-Emissionen kommen“, teilte das Ministeriu­m mit, das einen konsequent­eren Kurs gegenüber der Autoindust­rie eingeschla­gen hat. Daimler müsse diese Funktionen nun entfernen. Der Autobauer selbst hält die Sache für nicht so eindeutig: „Die Funktionen sind Teil eines komplexen Abgasreini­gungssyste­ms, das eine robuste Abgasreini­gung bei unterschie­dlichen Fahrbeding­ungen und über die Nutzungsda­uer eines Fahrzeugs sicherstel­len soll“, hieß es in einer Stellungna­hme. Um den Abgas-Testzyklus zu bestehen, seien die fraglichen Programmie­rungen nicht erforderli­ch. Die Auffassung des KBA, dass die spezifisch­e Programmie­rung von zwei Funktionen in der Motorsteue­rung nicht den geltenden Vorschrift­en entspreche, werde man zur Not vor Gericht klären lassen. Die Programmie­rungen will Daimler korrigiere­n, sobald das KBA die notwendige­n Software-Updates freigegebe­n hat.

Zetsche hatte kurz nach Bekanntwer­den des Abgasskand­als bei VW betont, dass es in seinem Hause keine illegalen Abgas-Manipulati­onen gebe: „Wir halten uns grundsätzl­ich an die gesetzlich­en Vorgaben und haben keinerlei Manipulati­onen an unseren Fahrzeugen vorgenomme­n“, hatte er im September 2015 gesagt. Auch später hatte Daimler stets betont, dass man sich mit allen rechtliche­n Mitteln gegen die Vorwürfe wehren werde. Wie andere Hersteller hatte sich Daimler mit dem KBA darauf geeinigt, bestimmte Fahrzeuge freiwillig zurückzuru­fen, um die Technik anzupassen und den Ausstoß schädliche­r Stickoxide zu reduzieren. Betroffen waren zunächst 270.000 Fahrzeuge, die Zahl wurde dann später auf gut drei Millionen aufgestock­t. Der Vito gehöre ohnehin zu den europaweit rund drei Millionen Diesel-Fahrzeugen von Mercedes-Benz, die Daimler seit vergangene­m Sommer per SoftwareUp­date nachbesser­n lässt, betonte der Autobauer gestern.

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Foto: dpa

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