Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sewing will den Stolz zurückbrin­gen

- VON BRIGITTE SCHOLTES

Auf der Hauptversa­mmlung der Deutschen Bank gibt es kaum Positives zu verkünden – dafür einen Stellenabb­au. Der neue Chef hofft trotzdem auf Aufbruchst­immung.

FRANKFURT Gut 7000 ihrer weltweit rund 97.000 Stellen will die Deutsche Bank bis zum Ende des kommenden Jahres abbauen. Die Zahl der Mitarbeite­r solle auf „deutlich unter 90.000“sinken, sagte deren neuer Vorstandsc­hef Christian Sewing gestern bei der Hauptversa­mmlung des Finanzinst­ituts. Von 600 Mitarbeite­rn der Unternehme­ns- und Investment­bank habe sich das Geldhaus in den vergangene­n sieben Wochen schon getrennt. Das bedeute bis zu 800 Millionen Euro an Restruktur­ierungs- und Abfindungs­kosten für das Gesamtjahr. Das werde das Ergebnis beeinträch­tigen. Die Bank hatte zuletzt drei Jahre in Folge Verluste gemacht.

Der Stellenabb­au soll vor allem im Bereich der Investment­bank erfolgen. Dort sollen bis Ende 2019 mehr als eine Milliarde Euro eingespart werden. Denn die Bank will in den USA ihr Zinsgeschä­ft deutlich verkleiner­n. Auch der Aktienhand­el soll schrumpfen, dort werde etwa ein Viertel der Stellen wegfallen. Der Deutsche-Bank-Chef machte aber auch deutlich: „Wir stehen zu unserer Unternehme­ns- und Investment­bank. Und wir bleiben internatio­nal.“

Sich aus dem globalen Investment­banking zurückzuzi­ehen, es aber soweit vorzuhalte­n, dass man die deutschen und europäisch­en Privat-und Firmenkund­en entspreche­nd bedienen könne, sei der richtige Schritt, lobte Klaus Nieding, Vizepräsid­ent der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz. Dass dazu auch Stellen abgebaut werden müssten, hält er für unumgängli­ch: „Die Konkurrenz kommt mit der Hälfte aus“, sagte er.

Doch Kostenabba­u allein könne nicht die Lösung sein, sagt Ingo Speich von der Fondsgesel­lschaft Union Investment. Bisher sei es nicht gelungen, den Teufelskre­is aus sinkenden Erträgen, unflexible­n Kosten und mangelnder Profitabil­ität zu durchbrech­en.

Sewing versprach, dass er nicht nur Kosten einsparen, sondern auch die Erträge über Wachstum steigern wolle. Als Beispiel führte er die Integratio­n der Postbank in die Deutsche Bank an, die an diesem Freitag abgeschlos­sen sein werde.

Sewing versprach in seiner zum Teil emotionale­n Rede auch, er wolle dafür sorgen, dass die Aktionäre wieder stolz auf ihr Geldhaus sein könnten. Dieser Stolz sei in den ver- gangenen Jahren teilweise verloren gegangen. „Verstehen Sie mich nicht falsch: nicht Arroganz, sondern Stolz“, sagte Sewing, der seit 30 Jahren für die Bank arbeitet.

Zu Beginn der Hauptversa­mmlung hatte Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner den Chefwechse­l Anfang April verteidigt. Es habe ein Entscheidu­ngs- und Umsetzungs­defizit in der Bank festgestel­lt, außerdem „zunehmende Meinungsve­r- schiedenhe­iten innerhalb der Führung“. Eigentlich habe man den Wechsel erst geordnet zur Hauptversa­mmlung einleiten wollen, doch seien die Spekulatio­nen um die Ostertage so eskaliert, dass man habe schnell handeln müssen.

Ex-Chef John Cryan dankte Achleitner ausdrückli­ch, er sei der „richtige Mann für diese Phase der Bank“gewesen. Sewing sei, machte Achleitner klar, „erste Wahl“gewesen: „Wir haben uns für ihn entschiede­n, weil er ‚Deutsch-Banker‘ ist, sagte der Aufsichtsr­atschef.

Doch die Aktionäre nahmen ihm das nicht unbedingt ab: Der Aufsichtsr­at habe „wirr“agiert, warf ihm etwa Markus Kienle von der Schutzgeme­inschaft der Kleinaktio­näre vor. Ein Abwahlantr­ag gegen Achleitner als Versammlun­gsleiter scheiterte jedoch. Trotzdem gb es einen Denkzettel für den Chef-Kontrolleu­r. Achleitner erhielt lediglich 84,4 Prozent Ja-Stimmen, wie er selbst kurz vor Ende der Hauptversa­mmlung mitteilte. Normal sind bei solchen Abstimmung­en Ergebnisse von mehr als 90 Prozent. Viele Anteilseig­ner hatten den Österreich­er zuletzt wegen seines Krisenmana­gements rund um den Chefwechse­l kurz nach Ostern und andere Entscheidu­ngen in der Vergangenh­eit angegriffe­n.

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FOTO: DPA Führung unter Druck: Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner (li.) wird zwar entlastet, doch viele Aktionäre sind unzufriede­n mit seiner Arbeit. Der neue Vorstandsc­hef Christian Sewing muss hingegen zunächst einen Stellenabb­au vorantreib­en.

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