Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Mit Theaterstücken die Welt neu vermessen
In der nächsten Spielzeit will das RLT noch einmal aus dem Vollen schöpfen und zeigen, was das ganze Haus kann.
NON HELGA BITTNER NEUSS „Welt vermessen“– der EinJahr-Intendant des RLT, Reinar Ortmann, meint das Motto der nächsten Spielzeit doppeldeutig: „Die Welt ist für uns unglaublich klein geworden“, sagt er, „kann also ständig neu vermessen werden. Und gleichzeitig ist der Mensch auch so vermessen, sie zu machen, zu formen, wie er sie will.“
Als Interimslösung sieht sich der bisherige Chefdramaturg, der in der nächsten Saison auf den Chefsessel des Theaters Platz nimmt, bis die neue Intendantin Caroline Stolz kommt, ebensowenig wie die Spielzeit an sich. „Sie ist kein ,Dazwischen’“, sagt er selbstbewusst, „sondern für uns DIE Spielzeit.“
Eine Spielzeit nämlich, in der das alte Bettina-Jahnke-Ensemble noch einmal alles geben, alles zeigen will. „Wir haben uns für das Gestalten entschieden, nicht für das Verwalten“sagt er selbstbewusst, „und sehen die Saison, die wir mit viel Spaß und Ehrgeiz ausfüllen werden, nicht als Übergang.“Und so wundert es nicht, dass Ortmann – in der nächsten Saison auch sein eigener Chefdramaturg – festhält: „Den Spielplan habe ich allein gemacht.“
Tatsächlich kommt dieser nicht wie etwas daher, das eine Zeit nur ausfüllen will. Er ist engagiert und trägt auch die Handschrift Ortmanns, der zudem am Spielplanheft einiges verändern ließ: „Es ist klarer gestaltet und verschlankt worden“, sagt er, „wir haben die Optik etwas verändert, aber wahren gleichzeitig auch die Kontinuität.“Namentlich waren etwa die Mitglieder des Leitungsteams um Bettina Jahnke, Ortmann und Verwaltungsdirektor Dirk Gondesen schon immer aufgeführt, nun werden sie auch mit Foto präsentiert.
Auch wenn Ortmann sich besonders darüber freut, dass das alte Ensemble zum großen Teil noch ein jahr bei der Stange bleibt – drei neue Schauspieler hat er doch verpflich- tet. Gewissermaßen als Ersatz für Joachim Berger, Alina Wolff und Andreas Spaniol, die Bettina Jahnke ans Hans-Otto-Theater in Potsdam folgen. Peter Waros ist dabei der nicht ganz so Neue, denn ihn kennt das Publikum schon als Gast am RLT („Der Lebkuchenmann“). Er wollte genau für ein Jahr, so erzählt es Ortmann, eine Festanstellung. Die beiden anderen Neuen sind Kathrin Berg und Hubertus Brandt, sie waren zuvor am Landestheater Detmold engagiert.
Die nächste Spielzeit ist nach Ortmanns Worten ein bisschen auch ein Sprungbrett. Für bisherige Regieassistenten zum Beispiel. So wird Julia-Hudas Nahas nach „Täwle“ihre erste große Produktion inszenieren: das Jugendstück „La Línea – der Traum vom besseren Leben“(1. März), Nicole Erbe das Familienstück „Kalif Storch“nach dem Mär- chen von Wilhelm Hauff, das zugleich auch als „Weihnachtsstück“firmiert (ab 28. Oktober) und Frances van Boeckel „Oh wie schön ist Panama!“(16. September). Von RLT-Musiker, -Regisseur und -Autor Sebastian Zarzutzki kommt wieder ein musikalisches Stück, aber auf der Basis eines Buches von Yuval Noah Harari: „Die kurze Geschichte der Menschheit“als „Weltuntergangsrevue“(10. November). Und der langjährigen RLT-Schauspielerin Hergard Engert macht Ortmann ein besonderes Geschenk: Sie übernimmt die einzige Rolle in einem Stück, das Nina de la Parra inszenieren wird: „Jackie“, ein Monolog von Elfriede Jelinek (11. Januar), „die damit aber einen zugänglicheren Text geschrieben hat“, verspricht der Intendant.
Zwei Romanbearbeitungen hat Ortmann auf den Spielplan gesetzt: „Menschen im Hotel“von Vicki Baum (24. November) und „Herz der Finsternis“von Joseph Conrad (16. März). Letztgenanntes gehört zu Ortmanns Lieblingsbüchern, und so wird er bei der Inszenierung nicht nur Regie führen, sondern auch die Fassung schreiben. Wie schon seine Vorgängerin übernimmt er als Intendant zwei Mal die Regie in 2018/19: „Biedermann und die Brandstifter“von Max Frisch (29. September) ist der Titel des zweiten. An der Fassung mitarbeiten wird er bei „Menschen im Hotel“inszenieren wird Marlene Anna Schäfer. „Das Stück haben wir anstelle der klassischen Komödie gewählt“erklärt er, „es wird auch an Silvester gespielt, und schon jetzt zeigt sich, dass es ein Verkaufshit wird. 20 Abstecher sind schon verplant.“
Ein Verkaufserfolg ist auch die Shakespeare-Komödie „Was ihr wollt“(19. Januar). Ganz bewusst wird damit nicht die Spielzeit am RLT beschlossen, denn „so können wir mehr Vorstellungen anbieten“, sagt Ortmann. Ein gutes halbes Jahr nämlich, was sich auch auf den Verkauf schon ausgewirkt habe: „100 Mal ist es schon gebucht“, sagt Frank Uwe Orbons, für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit am RLT zuständig, „das ist ein absoluter Rekord.“
Wiederaufnahmen wird es natürlich auch geben: In der Reihe „Nachtschicht extra“im Theatercafé Diva, und auch erfolgreiche Werbeaktionen werden wiederholt. Zum Beispiel die „Schaufenstergeschichten“, sagt Orbons, denn die seien in der Stadt nicht nur bei den Einzelhändlern, sondern auch bei Zuschauern in den Straßen sehr gut angekommen.