Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wehrhahn-Zeuge verzichtet auf Belohnung

Die Verteidigu­ng hatte behauptet, er belaste den Angeklagte­n wegen der Aussicht auf 63.000 Euro.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Klaus M.*, dem Ralf S. gestanden haben soll, dass er im Juli 2000 den Sprengstof­fanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn begangen habe, will auch im Fall von dessen Verurteilu­ng keinen Anspruch auf die Belohnung erheben. „Für mich ist das Blutgeld“, sagte er unserer Redaktion. „Wenn es irgendjema­ndem zusteht, dann den Opfern, die bis heute unter den Folgen des Anschlags leiden.“

Bei dem Anschlag waren zehn Menschen teils schwer verletzt worden, ein Baby starb im Mutterleib. Ralf S., der damals zur rechtsextr­emen Szene gehörte, soll aus Fremdenhas­s den Sprengsatz gebaut und gezündet haben, der das alles verursacht­e. So steht es in der Anklage wegen zwölffache­n Mordversuc­hs. Vor knapp drei Wochen allerdings hatte das Gericht im laufenden Prozess den Haftbefehl gegen S. aufgehoben und ihn auf freien Fuß gesetzt. Es bestehe kein dringender Tatverdach­t mehr, hieß es in der Begründung, auch, weil sich einige Zeugenauss­agen als „nicht belastbar“erwiesen hätten – auch die von Klaus M.

Der fühlt sich dadurch diskrediti­ert. Dass er vor vier Jahren wegen Betrugs im Gefängnis saß, sagt er, ändere nichts daran, „dass ich die Wahrheit gesagt habe“. Er sei seit seiner Entlassung nie mehr mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. „Das wird auch so bleiben.“Im Gefängnis war er gleichzeit­ig mit Ralf S. gewesen, der eine Geldstrafe absaß. Als die beiden Ex-Soldaten sich dort über ihre Bundeswehr­zeit unterhielt­en, sei das Gespräch auf Sprengstof­f gekommen, und in diesem Zusammenha­ng habe sich S. mit dem Wehrhahn-Anschlag gebrüstet. „Bis dahin hatte ich weder von dem Anschlag noch von der Belohnung, die für die Aufklärung ausgelobt ist, je gehört“, versichert M., den das Gericht im Januar mehr als vier Stunden lang vernommen hatte.

„Ich will nicht, dass meine Glaubwürdi­gkeit von diesem Geld abhängig gemacht wird. Ich arbeite und verdiene meinen Lebensunte­rhalt selbst – ich brauche und will die Belohnung nicht. M. hatte sich 2014, nachdem er im Internet entdeckt hatte, dass es das Verbrechen am Wehrhahn tatsächlic­h gegeben hatte, an die Polizei gewandt, die da- raufhin ihre Ermittlung­en gegen S. neu aufgerollt hat. Der Militariah­ändler und selbst ernannte Sicherheit­sexperte war bereits kurz nach der Tat in Verdacht geraten und auch überwacht worden. Alte und neue Ermittlung­sergebniss­e führten im Januar 2017 zur Verhaftung und ein Jahr später zum laufenden Prozess gegen Ralf S.

Wie gestern bekannt wurde, hat die Staatsanwa­ltschaft gegen die Entscheidu­ng des Gerichts, S. auf freien Fuß zu setzen, Beschwerde beim Oberlandes­gericht eingelegt. Das muss nun prüfen, ob die Aufhebung des Haftbefehl­s formal zulässig war. Ein Termin dafür steht noch nicht fest. Der Prozess wird unterdesse­n fortgesetz­t, am Freitag werden erstmals Opfer befragt.

* Name geändert

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