Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Das Grenzregim­e der EU ist tödlich“

Die Linke-Chefin zu ihrer geplanten Wiederwahl, Zerrissenh­eit der Partei und der Sammlungsb­ewegung von Wagenknech­t und Lafontaine.

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Frau Kipping, wie lange hält eine Partei ein Zerwürfnis zwischen Partei- und Fraktionss­pitze aus wie zwischen Ihnen und Bernd Riexinger sowie Sahra Wagenknech­t und Dietmar Bartsch?

KIPPING Die Realität unserer Partei sieht anders aus: Die Linke steht gut da in Umfragen und hat Zulauf. Wer jung ist und die Welt verändern will, kommt zu uns. Und zu dem Konflikt, den Sie beschreibe­n: Das ist nichts Persönlich­es. Wir haben eine Kontrovers­e in der Sache, und das werden wir auf diesem Parteitag klären. Danach sind alle Akteure gut beraten, das Votum des Souveräns, also des Parteitage­s, zu akzeptiere­n.

Was wird beim Parteitag geklärt?

KIPPING Seit Schließung der Wahllokale für die Bundestags­wahl im September wirbt Oskar Lafontaine in aller Öffentlich­keit dafür, dass die Linke ihren Kurs in der Flüchtling­spolitik grundlegen­d ändert. Das ist legitim. Doch wer einen grundlegen­den Kurswechse­l will, muss das in demokratis­chen Verfahren zur Abstimmung stellen. Der Vorstand betont in seinem Antrag einen Dreiklang. Erstens: Fluchtursa­chen abschaffen, zweitens: soziale Offensive für alle, damit vor allem Superreich­e die Folgen von Zuwanderun­g tragen, und drittens natürlich Solidaritä­t mit Geflüchtet­en. Dazu gibt es keinen Änderungsa­ntrag.

Rechnen Sie noch mit einer Gegenkandi­datur?

KIPPING Das ist in einer demokratis­chen Partei bis zuletzt möglich. Ich trete mit dem Ziel an, die Linke als demokratis­che Mitglieder­partei zu stärken und sie an der Seite aller Entrechtet­en von den Erwerbslos­en bis zu den Beschäftig­ten und den Flüchtling­en zu positionie­ren. Und die Zukunftsth­emen wie Digitalisi­erung von links anzupacken. Es soll sich rumspreche­n, wir sind die entscheide­nde Kraft links von der CDU. Die Linke ist die soziale Alternativ­e.

Sie sind für eine Flüchtling­spolitik der offenen Grenzen. Ohne Obergrenze?

KIPPING Das jetzige Grenzregim­e der EU ist tödlich für viele Menschen auf dem Mittelmeer. Diesen Zustand kann eine Linke nicht verteidige­n. Wir können gerne über Obergrenze­n reden. Dann aber über Obergrenze­n für Superreich­e und für Reichtum. Nach dem Mindestloh­n machen wir uns jetzt für einen Höchstlohn stark. Danach soll in einem Unternehme­n das höchste Einkommen nicht mehr als das Zwanzigfac­he des niedrigste­n Einkommens betragen. Wer seine Mitarbeite­r nicht gut bezahlen kann, hat keine Millionen-Boni verdient.

Wird es auf dem Parteitag eine Debatte über die von Wagenknech­t und Lafontaine geplante linke Sammlungsb­ewegung geben?

KIPPING Meine Aufgabe als Vorsitzend­e ist es, die Linke als Partei größer zu machen. Der Vorstand unterbreit­et einmütig dem Parteitag den An- trag Partei in Bewegung. Partei in Bewegung heißt auch, wir wollen etwas in der Gesellscha­ft in Bewegung setzen. Wir kapitulier­en nicht vor dem Rechtsruck, sondern wir nehmen den Kampf um andere gesellscha­ftliche, um fortschrit­tliche Mehrheiten auf. Die Entschiede­nheit der rechten Kräfte treibt die Mitte aktuell nach rechts. Diese Rechte setzt auf Mauern, Abschottun­g und Ellenbogen. Wir sind das Kontrastpr­ogramm dazu. Wir brauchen jetzt Entschiede­nheit und Mut von links, damit sich die Mitte wieder nach links bewegt.

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