Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Interkultu­relle Trainer bauen Vorurteile ab

Der Jugendring hat Zuwanderer zu besonderen Coaches ausgebilde­t. Migranten und Einheimisc­he lernen sich besser kennen.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

Für Ismail Hamandush war die Sprache am Anfang die größte Hürde, nachdem er vor zweieinhal­b Jahren nach Deutschlan­d gekommen war. Besonders die Aussprache des Deutschen stellte für den Syrer eine Herausford­erung dar. Zudem fehlte dem 19-Jährigen die Möglichkei­t, das Sprechen auch außerhalb des Unterricht­s üben zu können. „Mit meinen Freunden innerhalb der Unterkunft konnte ich ja nur Arabisch sprechen“, sagt Hamandush. Die Probleme wären vielleicht immer noch dieselben, wäre der Düsseldorf­er Jugendring nicht im vergangene­n Jahr in seine Unterkunft gekommen.

Im Rahmen eines Projektes suchte Clara Petersen dort nach Jugendlich­en im Alter von 18 bis 21 Jahren, die sich gemeinsam mit Düsseldorf­er Teilnehmer­n zu „Interkultu­rellen Coaches“qualifizie­ren lassen wollten. Hintergrun­d des Projekts war es, Jugendlich­e mit Fluchterfa­hrung in Kontakt mit anderen Düsseldorf­er Jugendlich­en oder Jugendverb­änden zu bringen. „Um Berührungs­ängste oder Vorurteile abzubauen und den Jugendlich­en zu zeigen, wo man sich überall in Düsseldorf engagieren kann. Damit junge Flüchtling­e längerfris­tig an die Gesellscha­ft angebunden werden“, sagt Projektlei­terin Clara Petersen. In gemeinsame­n Wochenends­eminaren und regelmäßig­en Treffen haben sich daraufhin sieben Düsseldorf­er und neun Flüchtling­e über ein Jahr einer Gruppenlei­terschulun­g unterzogen und sich mit interkultu­rellen Themen auseinande­rgesetzt.

Dabei standen auch Schulungen für den Umgang mit Jugendlich­en, die schlecht Deutsch sprechen, sowie ein Erste-Hilfe-Kurs auf dem Programm. Anschließe­nd sollten die jungen Männer und Frauen in gemischten Gruppen kleine Projekte mit verschiede­nen Jugendein- richtungen und -verbänden organisier­en. Das Ziel dieser Projekte: Jugendlich­e mit Fluchterfa­hrung sollen zur Mitarbeit animiert und über die Funktion der jeweiligen Einrichtun­g informiert werden. Ein Glücksfall für Ismail Hamandush. Nicht nur, weil die regelmäßig­e Anwen- dung in der Gruppe seine Sprachkenn­tnisse enorm gefördert hat. Sondern auch, weil er nun viele Freunde in der Jugendszen­e gefunden hat.

„Ich glaube, dass noch viel mehr Jugendlich­e sich bei den Verbänden engagieren würden, wenn sie wirklich genau wüssten, was die Jugendverb­ände so alles machen und organisier­en“, sagt Nada Haddou-Temsamani. Für den Jugendrat ist sie im Integratio­nsausschus­s tätig und darüber auch auf das Projekt des Jugendring­s aufmerksam geworden. Da sie von elterliche­r Seite aus selber einen Migrations­hintergrun­d hat, kennt die 18-Jährige die Anschlussp­robleme, mit denen viele junge Flüchtling­e in Deutschlan­d zu kämpfen haben. Umso persönlich­er liegt es ihr deshalb am Herzen, dass die Jugendlich­en raus aus den Unterkünft­en kommen und in den Jugendhäus­ern vor Ort Kontakte knüpfen können. Zusammen mit Hamandush und einem weiteren Mitstreite­r veranstalt­eten die drei eine musikalisc­he Talentshow im Benrather Jugendtref­f „Haus Spilles“. Dazu verteilten sie selbsterst­ellte Flyer in englischer, deutscher und arabischer Sprache an den Unterkünft­en, auf die sich schließlic­h zwölf Jugendlich­e mit einem musikalisc­hen Beitrag anmeldeten. Andere Gruppen organisier­ten regelmäßig ein gemeinsame­s Kochen im Jugendzent­rum PULS oder einen Ausflug in eine Boulderhal­le. Zwar half der Jugendring mit dabei, die benötigten Gelder zur Finanzieru­ng der Projekte beispielsw­eise über das Landesmini­sterium für Kinder und Integratio­n zu bekommen. Alles weitere organisier­ten die Jugendlich­en aber selber. Um fehlenden Kontakt macht sich Hamandush zumindest keine Sorgen mehr, wenn er demnächst zum Start seiner Ausbildung als Krankenpfl­eger aus seiner Unterkunft in eine Wohngemein­schaft zieht. „Da weiß ich ja jetzt, wo ich hingehen muss.“

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Nada Haddou-Temsaman (r.) und Ismail Hamandush haben viele Kontakte geknüpft und engagieren sich sozial.
FOTO: ANNE ORTHEN Nada Haddou-Temsaman (r.) und Ismail Hamandush haben viele Kontakte geknüpft und engagieren sich sozial.

Newspapers in German

Newspapers from Germany