Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Interkulturelle Trainer bauen Vorurteile ab
Der Jugendring hat Zuwanderer zu besonderen Coaches ausgebildet. Migranten und Einheimische lernen sich besser kennen.
Für Ismail Hamandush war die Sprache am Anfang die größte Hürde, nachdem er vor zweieinhalb Jahren nach Deutschland gekommen war. Besonders die Aussprache des Deutschen stellte für den Syrer eine Herausforderung dar. Zudem fehlte dem 19-Jährigen die Möglichkeit, das Sprechen auch außerhalb des Unterrichts üben zu können. „Mit meinen Freunden innerhalb der Unterkunft konnte ich ja nur Arabisch sprechen“, sagt Hamandush. Die Probleme wären vielleicht immer noch dieselben, wäre der Düsseldorfer Jugendring nicht im vergangenen Jahr in seine Unterkunft gekommen.
Im Rahmen eines Projektes suchte Clara Petersen dort nach Jugendlichen im Alter von 18 bis 21 Jahren, die sich gemeinsam mit Düsseldorfer Teilnehmern zu „Interkulturellen Coaches“qualifizieren lassen wollten. Hintergrund des Projekts war es, Jugendliche mit Fluchterfahrung in Kontakt mit anderen Düsseldorfer Jugendlichen oder Jugendverbänden zu bringen. „Um Berührungsängste oder Vorurteile abzubauen und den Jugendlichen zu zeigen, wo man sich überall in Düsseldorf engagieren kann. Damit junge Flüchtlinge längerfristig an die Gesellschaft angebunden werden“, sagt Projektleiterin Clara Petersen. In gemeinsamen Wochenendseminaren und regelmäßigen Treffen haben sich daraufhin sieben Düsseldorfer und neun Flüchtlinge über ein Jahr einer Gruppenleiterschulung unterzogen und sich mit interkulturellen Themen auseinandergesetzt.
Dabei standen auch Schulungen für den Umgang mit Jugendlichen, die schlecht Deutsch sprechen, sowie ein Erste-Hilfe-Kurs auf dem Programm. Anschließend sollten die jungen Männer und Frauen in gemischten Gruppen kleine Projekte mit verschiedenen Jugendein- richtungen und -verbänden organisieren. Das Ziel dieser Projekte: Jugendliche mit Fluchterfahrung sollen zur Mitarbeit animiert und über die Funktion der jeweiligen Einrichtung informiert werden. Ein Glücksfall für Ismail Hamandush. Nicht nur, weil die regelmäßige Anwen- dung in der Gruppe seine Sprachkenntnisse enorm gefördert hat. Sondern auch, weil er nun viele Freunde in der Jugendszene gefunden hat.
„Ich glaube, dass noch viel mehr Jugendliche sich bei den Verbänden engagieren würden, wenn sie wirklich genau wüssten, was die Jugendverbände so alles machen und organisieren“, sagt Nada Haddou-Temsamani. Für den Jugendrat ist sie im Integrationsausschuss tätig und darüber auch auf das Projekt des Jugendrings aufmerksam geworden. Da sie von elterlicher Seite aus selber einen Migrationshintergrund hat, kennt die 18-Jährige die Anschlussprobleme, mit denen viele junge Flüchtlinge in Deutschland zu kämpfen haben. Umso persönlicher liegt es ihr deshalb am Herzen, dass die Jugendlichen raus aus den Unterkünften kommen und in den Jugendhäusern vor Ort Kontakte knüpfen können. Zusammen mit Hamandush und einem weiteren Mitstreiter veranstalteten die drei eine musikalische Talentshow im Benrather Jugendtreff „Haus Spilles“. Dazu verteilten sie selbsterstellte Flyer in englischer, deutscher und arabischer Sprache an den Unterkünften, auf die sich schließlich zwölf Jugendliche mit einem musikalischen Beitrag anmeldeten. Andere Gruppen organisierten regelmäßig ein gemeinsames Kochen im Jugendzentrum PULS oder einen Ausflug in eine Boulderhalle. Zwar half der Jugendring mit dabei, die benötigten Gelder zur Finanzierung der Projekte beispielsweise über das Landesministerium für Kinder und Integration zu bekommen. Alles weitere organisierten die Jugendlichen aber selber. Um fehlenden Kontakt macht sich Hamandush zumindest keine Sorgen mehr, wenn er demnächst zum Start seiner Ausbildung als Krankenpfleger aus seiner Unterkunft in eine Wohngemeinschaft zieht. „Da weiß ich ja jetzt, wo ich hingehen muss.“