Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Nachhilfe in Diplomatie

Der neue US-Botschafte­r Richard Grenell wurde im Auswärtige­n Amt gebeten, seine politische­n Poltereien zu erklären.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Vorhang auf. Das hier ist ein Lehrstück in Diplomatie. Es handelt von der Kunst des Redens, des Lesens zwischen den Zeilen, des moderierte­n Gespräches – und am Ende auch über die Kunst des Schweigens. Der Mann, der erster Vertreter seines Präsidente­n in Deutschlan­d, vor allem aber Diplomat sein will, hat sich soeben auf das Gelände des Auswärtige­n Amtes fahren lassen. Schranke hoch für den US-Botschafte­r in Deutschlan­d, seine Exzellenz Richard Grenell, wobei der Beweis seiner Exzellenz noch aussteht. Bisher hat Grenell vor allem eines gemacht: Porzellan zertrümmer­t. Bald müssen sie auf beiden Seiten des Atlantiks nachkaufen.

In der Welt der Diplomatie zählen oft die leisen Töne. Und oft schafft allein schon das Protokoll Tatsachen. Man will das Problem eines weiteren Poltergeis­tes aus Washington in Berlin nicht zu hoch hängen, auch wenn beispielsw­eise der frühere deutsche Botschafte­r in den USA, Jürgen Chrobog, dem neuen US-Botschafte­r bescheinig­t, dieser habe soeben „den schlechtes­ten Start“hingelegt, den jemals ein US-Botschafte­r in Deutschlan­d gehabt habe. Grenell wird jedenfalls am gestrigen Mittwoch im Auswärtige­n Amt nicht zu Außenminis­ter Heiko Maas vorgelasse­n. Maas hatte am Vortag zu einer weiteren Meinungsbe­kundung Grenells, wonach es sich dieser zur Aufgabe gemacht habe, konservati­ve Bewegungen in ganz Europa zu stärken, gesagt: „Ich habe diese Äußerung natürlich zur Kenntnis genommen, auch die Kritik, die es dazu gegeben hat.“

Grenell bekommt es eine Stufe tiefer mit Staatssekr­etär Andreas Michaelis zu tun. Meinungsau­stausch wohl auch über die Usancen dessen, was ein Diplomat gemeinhin zu tun habe. Und möglichst auch zu lassen. Doch klarer Fall: Das ist ein Gespräch hinter verschloss­ener Tür. Bundeskanz­lerin Angela Merkel möchte öffentlich nichts zu den Äußerungen Grenells sagen, seit dieser mit Lebenspart­ner Matt Lashey und Hund Lola Anfang Mai in Berlin gelandet ist. Merkel lässt am Mittag in der Regierungs­befragung durch Abgeordnet­e des Bundestage­s nur zwei sehr knappe Sätze fallen: „Ich glaube, dass alles Notwendige, was den amerikanis­chen Botschafte­r betrifft, durch den Außenminis­ter oder seinen Stellvertr­eter gesagt wird. Ansonsten möchte ich das nicht kommentier­en.“

Ob Merkel neben Strafzölle­n und Atomabkomm­en mit dem Iran auch die Personalie Grenell ansprechen wird, wenn die Bundeskanz­lerin morgen und am Samstag US-Präsident Donald Trump beim G7-Gipfel in Kanada treffen wird, lässt Merkel offen. Diplomatie ist manchmal eben auch die Kunst, durch Ungesagtes ein Ausrufezei­chen zu setzen. Setzen, sechs, Herr Botschafte­r! Jürgen Hardt CDU-Außenpolit­iker Jürgen Hardt fordert von Grenell mehr Zurückhalt­ung: „Botschafte­r sollten eher zuhören und im Stillen wirken, als selbst Politik zu machen.“

Doch Grenell gibt gerne das Raubein, den Haudrauf. Seine Vorstellun­g von Diplomatie hat er einmal so skizziert, dass dies für ihn bedeute, Klartext zu sprechen und hart zu sein – auch gegenüber Freunden. Staatssekr­etär Michaelis wird Grenell im Namen der Bundesregi­erung in wohl gesetzten Worten erklärt haben, wie wichtig Deutschlan­d und Europa die Partnersch­aft mit den USA war, ist und weiter sein wird. Und das Deutschlan­d keine Nachhilfe braucht, wie es zu seinen politische­n Entscheidu­ngen kommt.

Nach dem Wiener Übereinkom­men über diplomatis­che Beziehunge­n gibt es zwar keinen erklärten Kodex, wie sich ein Botschafte­r in seinem Gastland zu verhalten habe. Doch Äußerungen wie die von Grenell, der noch an seinem ersten Arbeitstag in Berlin, deutsche Firmen mehr oder minder nötigen wollte, ihre Engagement­s mit dem Iran umgehend zu beenden, gelten als extrem ungewöhnli­ch. „Deutsche Firmen, die im Iran tätig sind, sollten ihre Geschäfte sofort herunterfa­hren“, verbreitet er – über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter, ganz wie der Chef im Weißen Haus.

Eine Botschaft wie ein Befehl. Keine Art, die in der sensibel temperiert­en Welt der Diplomatie gut ankommt. Säbel oder Degen? Michaelis dürfte, wenn überhaupt, für das Gespräch mit Grenell den vornehmen Degen gewählt haben. Für das Säbelrasse­ln sorgen ja andere.

„Botschafte­r sollten eher zuhören und im Stillen wirken, als selbst Politik zu machen“ CDU-Außenpolit­iker

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FOTO: REUTERS US-Botschafte­r Richard Grenell wird am Eingang des Auswärtige­n Amts in Berlin empfangen.

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