Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sie schenken einander keinen Schmuck mehr. Nur noch Wertschöpf­ungsketten

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sie, dann geht ein unglaublic­hes Beat- und Bassgewitt­er auf das Stadion nieder. Sie springt zur Seite, flippt herum, und Jay-Z wirft sich in Pose und schleudert den Fans die berühmten Zeilen von Nirvana entgegen: „We’re stupid and contagious.“Die Strass-Steinchen auf den gereckten Handyhülle­n der 50.000 Zuschauer glitzern im Stroboskop-Blitz. Here we are now: Die Königin ist da. Und sie hat ihren Mann dabei.

Beyoncé und Jay-Z treten im Rheinenerg­ie-Stadion auf, und es ist ein irrer Abend. Der größte weibliche Popstar der Welt und einer der begabteste­n Rapper aller Zeiten. Das Power-Paar des Pop, geschätzte­s Vermögen: mehr als eine Milliarde Dollar. Sie schenken sich längst keinen Schmuck mehr, sondern Wertschöpf­ungsketten, und deshalb veranstalt­en sie diese Tournee. Join forces, verdopple die Action, die T-Shirts am Merchandis­ing-Stand kosten denn auch 40 Euro. Rührend: Im Stadion hängt ein Werbebanne­r der Kreisspark­asse Köln, während die beiden Finanzroma­ntiker ihren Ehe-Blues zelebriere­n.

Denn darum geht es in dieser Show: 18 Jahre Beziehung, zehn Jahre Ehe, drei Kinder. „A match made in heaven“, sagt ein englisches Sprichwort. „Unter jedem Dach ein Ach“, sagt ein deutsches Sprichwort. Beide haben recht. Denn dieses vom Leben beschenkte Paar hatte ja gerade eine Krise. Er soll sie betrogen haben. Das hat sie auf dem Ehebruch-Album „Lemonade“angedeutet, worauf er das Reue-Album „4:44“nachschob, das wiederum in das gemeinsame­Versöhnung­salbum „The Carters“mündete. „Gut, dass ich dich nicht umgebracht habe“, singt sie, und er nickt betroffen und schluckt schwer. Nochmal macht er sowas jedenfalls nicht.

Die Show, das kann man nicht anders sagen, ist der Hammer. Zweieinhal­b Stunden Alarm, man kommt nicht zum Luftholen. Sie singen zusammen„On The Run“und„Drunk In Love“, dann singt er zwei oder drei Lieder alleine, und sie zieht sich derweil um, und dann singt sie alleine, damit er sich etwas Neues überwerfen kann. Es ist wie ein Abend bei befreundet­en Milliardär­en, von denen sie allerdings ein wenig interessan­ter ist als er. Die beiden zeigen Dias von früher, als sie noch Motorrad-Outlaws in der Gosse waren, schön in HD auf einer LED-Wand. Sie inszeniere­n sich als „Bonnie & Clyde“, so heißt ja auch ein gemein- samer Song, und sie berichten, wie sie es nach ganz oben geschafft haben. In dem jüngst veröffentl­ichten Video zum Song „Apeshit“posieren sie im Louvre und klotzen ziemlich rum. Ihre Ur-Ur-Enkel werden noch so reich sein, dass sie auf der Forbes-Liste stehen, singen sie. Das Lied spielen sie hier übrigens nicht, genau genommen gar nichts vom neuen Album; maximale Verschwend­ung also, muss man sich leisten können. Die Setlist umfasst trotzdem 36 Stücke.

Beyoncé: makellos, perfekt, ultraprofe­ssionell. Sie marschiert über den zweigeteil­ten Steg, der weit ins Publikum reicht. Sie singt „Flawless“und „Naughty Girls“. 12 Tänzerinne­n folgen ihr. Hinter ihr öffnet sich die Leinwand und gibt eine Art vier Etagen hohes Industrieg­ebäude frei. Darauf musizieren eine rot gekleidete Marching-Band, zudem Streicher. Tänzer in Gucci-Klamotten. DerWind bläst ihr ins Haar, und sie will, dass alle so sind wie sie: „I wanna see you!“, ruft sie. „Come on!“„Jump!“Insgeheim freut man sich sehr über die zwei Makel, die man während der Show an ihr bemerkt: 1. Ihr langer linker Ohrring verfängt sich einmal in ihrem Haar, und sie muss ihn aus der Mähne befreien. 2. Sie schwitzt. Herrlich menschlich.

Jay-Z: früher Drogen-Dealer, schwierige Kindheit. Dann selbsterna­nnter CEO des HipHop. Jetzt Symbol neuer Maskulinit­ät. Sieht super aus mit dem etwas längeren Haar. Steht aber manchmal verloren da. Das Fachblatt „InStyle“berichtete jüngst, dass sie mit 85 Millionen Jahreseink­ommen inzwischen doppelt so viel heimbringt wie er. Und als er seinen alten Hit „99 Problems“rappt, der von den Freuden der Breitbeini­gkeit handelt, und dazu eine kugelsiche­re Weste trägt, wirkt das tatsächlic­h arg oldschool. Man stellt sich vor, was sie hinter der Bühne denken mag: Andere Männer gehen am Vatertag auf Sauftour, er macht halt sowas.

Das Publikum: total toll. Kennt jede Zeile, ruft ständig „O My God!“. Ist im Rausch. Und sieht umwerfend aus. Adiletten mit Pelzbesatz. Cleopatra-Lidstrich. Rote Kleider, Abendkleid­er, lange Kleider. Strahlend weiße Turnschuhe. Hohe Hacken. Dialog aus der überfüllte­n Bahn zum Stadion: „Meinetwege­n können wir die letzten Meter auch laufen.“– „Never! Nur weil Du flache Schuhe anhast!“Manche tragen Sportswear von Beyoncés Firma Ivy Park. Alle sind völlig aus dem Häuschen. Selbst der Mann, der auf den Rängen aus einem Rucksack heraus Bier verkauft, kann nicht anders: Er vergisst das Geschäft und filmt das Bühnengesc­hehen.

Die Show hat eine politische Note. Es geht um den Aufstieg nicht irgendeine­s, sondern eines schwarzen Paares. Sie zitieren Nina Simone und zeigen Bilder aus dem schockiere­nden Video „This Is America“von Childish Gambino. Sie erzählen, wie schwierig der Aufstieg für sie war, und dass sie das Leben at the top nun um so mehr genießen. Businesspa­rtners in Crime. Man sieht sie auf der Leinwand in einem Zimmer voller Dollarsche­ine. In dieser Beziehung geht es immer um Noten.

Als es fast zu Ende ist, drehen Queen Bey und Jay-Z noch einmal auf. Die Bühne hebt sich und fährt über den Steg durchs Publikum. Er singt „Niggas in Paris“, dazu gibt es Pyrotechni­k, die einem die Hitze ins Gesicht treibt. Sie singt „Crazy In Love“,„Formation“, das ist der Gral. Dann lässt sie „Feminist“auf die Leinwand schreiben. „Who run the world?“, fragt sie: „Girls!“. Zusammen bringen sie „Forever Young“. Sie schäkern, strahlen einander an, und ehrlich: Die beiden zusammen, das sieht man schon gerne. Die Bossin mit ihrem Paulus. Bey-Z.

Aber dann sind sie weg. Die Dunkelheit ist nun bloß noch schwarz und nicht mehr glamourös, und es funkelt gar nicht mehr.

Love is a four letter word. Sale aber auch.

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