Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ausstellung im NS-Dok: Suche nach der eigenen Identität
KÖLN Schon als Kind wird der 1986 in Moskau geborene Künstler Yury Kharchenko mit seiner Identität als Jude konfrontiert und erfährt den Antisemitismus am eigenen Leib. „In der Sowjetunion war die eigene jüdische Kultur bei uns in der Familie nicht wirklich wichtig. So bin ich ohne ein fundiertes Wissen darüber aufgewachsen“, sagt Kharchenko. Mit zehn Jahren kommt er mit seiner Familie nach Deutschland. Sechs Jahre später erzählt ihm sein Vater, dass sein Großvater mit Familiennamen eigentlich Grynzspan hieß, diesen Namen aber als Rotarmist während des Zweiten Weltkriegs ablegte und in Kharchenko umänderte. In der sowjetischen Gesellschaft verbargen Vater und Großvater ihre jüdische Herkunft. „Mit 16 hat mich diese Geschichte nicht wirklich interessiert, aber sie ist mir in Erinnerung geblieben.“Auch in Deutschland wird er bald mit seiner jüdischen Herkunft konfrontiert, so, wenn man ihm sagte, dass er nicht wie ein Russe aussieht. Beim Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie wird er von einem Professor dafür kritisiert, dass seine jüdische Identität in seine Bilder einfließt. „Das waren für mich mehr emotionale Kränkungen auf einer persönlichen Ebene. Die deutschen Freunde konnten mich nicht verstehen, weil sie nicht jüdisch waren.“Ein Wendepunkt markiert ein Angriff von Neonazis auf Kharchenko in Düsseldorf. Er verlässt die Stadt, beginnt sich intensiv mit der jüdischen Kultur auseinander zu setzen und lernt an einer jüdischen Schule auch Hebräisch. An der Uni Potsdam beginnt er eine Dissertation zum Thema jüdische Denkeinflüsse auf die Kunstphilosophie der Postmoderne. Auch in seinen Bildern setzt sich Kharchenko mit seiner jüdischen Identität auseinander. Seine Werke sind im NS-Dok bis zum 2. September zu sehen. Im Zentrum stehen zwei Porträts von Herschel Grynszpan – darunter ein Selbstbildnis von Yury Kharchenko als Herschel Grynszpan – und ein Bildnis des Reichsbischofs der evangelischen Kirche, Ludwig Müller.