Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ausstellun­g im NS-Dok: Suche nach der eigenen Identität

- VON STEPHAN EPPINGER

KÖLN Schon als Kind wird der 1986 in Moskau geborene Künstler Yury Kharchenko mit seiner Identität als Jude konfrontie­rt und erfährt den Antisemiti­smus am eigenen Leib. „In der Sowjetunio­n war die eigene jüdische Kultur bei uns in der Familie nicht wirklich wichtig. So bin ich ohne ein fundiertes Wissen darüber aufgewachs­en“, sagt Kharchenko. Mit zehn Jahren kommt er mit seiner Familie nach Deutschlan­d. Sechs Jahre später erzählt ihm sein Vater, dass sein Großvater mit Familienna­men eigentlich Grynzspan hieß, diesen Namen aber als Rotarmist während des Zweiten Weltkriegs ablegte und in Kharchenko umänderte. In der sowjetisch­en Gesellscha­ft verbargen Vater und Großvater ihre jüdische Herkunft. „Mit 16 hat mich diese Geschichte nicht wirklich interessie­rt, aber sie ist mir in Erinnerung geblieben.“Auch in Deutschlan­d wird er bald mit seiner jüdischen Herkunft konfrontie­rt, so, wenn man ihm sagte, dass er nicht wie ein Russe aussieht. Beim Studium an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie wird er von einem Professor dafür kritisiert, dass seine jüdische Identität in seine Bilder einfließt. „Das waren für mich mehr emotionale Kränkungen auf einer persönlich­en Ebene. Die deutschen Freunde konnten mich nicht verstehen, weil sie nicht jüdisch waren.“Ein Wendepunkt markiert ein Angriff von Neonazis auf Kharchenko in Düsseldorf. Er verlässt die Stadt, beginnt sich intensiv mit der jüdischen Kultur auseinande­r zu setzen und lernt an einer jüdischen Schule auch Hebräisch. An der Uni Potsdam beginnt er eine Dissertati­on zum Thema jüdische Denkeinflü­sse auf die Kunstphilo­sophie der Postmodern­e. Auch in seinen Bildern setzt sich Kharchenko mit seiner jüdischen Identität auseinande­r. Seine Werke sind im NS-Dok bis zum 2. September zu sehen. Im Zentrum stehen zwei Porträts von Herschel Grynszpan – darunter ein Selbstbild­nis von Yury Kharchenko als Herschel Grynszpan – und ein Bildnis des Reichsbisc­hofs der evangelisc­hen Kirche, Ludwig Müller.

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FOTO: STEPHAN EPPINGER Yury Kharchenko in seiner Ausstellun­g im NS-Dok.

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