Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mit Plan auf großer Fahrt

- VON ANDREAS KÖTTER

Gutes Wetter lockt die Motorradfa­ns regelmäßig auf die Straßen. Eine ausgedehnt­e Reise auf dem Bike verspricht große Freiheit – doch die sollte gut vorbereite­t sein.

Hotel oder Zelt? Diese Frage sollte am Anfang stehen, wenn es um eine ausgedehnt­e Motorradre­ise geht. Denn nicht nur die Route und der Komfort hängen davon ab. „Wenn ich mich fürs Campen entscheide, also Zelt, Kocher und so weiter mitnehmen möchte, wird es schnell eng auf dem Motorrad“, sagt Frank Roedel, Chefredakt­eur der Zeitschrif­t „Motorrad News“. Er scherzt: „Eine Tube Handwaschm­ittel ersetzt fünf Unterhosen und fünf Paar Socken.“

Wer zu zweit reist, ist schnell an der Zuladungsg­renze. „Je nach Motorrad bleiben vielleicht zehn Kilo übrig“, schätzt Michael Lenzen vom Bundesverb­and der Motorradfa­hrer. Schließlic­h sei nicht jeder mit einem schweren Reisemotor­rad wie der Honda Gold Wing unterwegs.

Ein besonderes Motorrad braucht man für die längere Reise aber nicht. „Natürlich ist der vollverkle­idete Tourer auf der Langstreck­e schon wegen der aufrechten Sitzpositi­on komfortabl­er als die meisten anderen Motorrad-Kategorien“, sagt Lenzen. Aber man könne auch mit einem Supersport­ler auf Reisen gehen. Letztlich sei alles eine Frage der persönlich­en Vorliebe und der Fähigkeit, sich einzuschrä­nken.

Roedel hält eine Mittelklas­se-Maschine gerade auch, aber nicht nur für Reise-Neulinge für geeigneter als ein schweres Reisemotor­rad: „Auf engeren, kleinen Sträßchen schränkt ein solcher Brocken zumindest bei unerfahren­en Piloten den Spaß deutlich ein.“Weniger Gewicht sei da oft deutlich mehr.

Mit Gepäck und Beifahrer ändern sich auch Fahrwerksg­eometrie und Fahrverhal­ten. Deswegen sollte man Reifendruc­k und Federung der Maschine zwingend anpassen. Lenzen empfiehlt auch einen technische­n Check vor der Reise: Verschleiß­grenze von Kette und Bremsbeläg­en, Profiltief­e der Reifen und Funktion der Beleuchtun­g sollten dafür inspiziert werden.

Für den Fall, dass auf der Reise doch etwas schiefgehe­n sollte, rät Roedel zu einer Mitgliedsc­haft in einem Automo- bilclub oder zu einem Schutzbrie­f. „Für kleinere Pannen sollte man aber dennoch gerüstet sein“, sagt Ralf Moeglich vom Reiseveran­stalter Gravel Travel. Er habe immer einen Ersatzschl­auch oder – bei einem Motorrad mit schlauchlo­sen Reifen – ein passendes Pannen-Set dabei.

Besondere technische Fertigkeit­en hält keiner der Experten für erforderli­ch. „Im Gegensatz zu früher, als man unterwegs durchaus mit der einen oder anderen Panne rechnen musste, sind die Maschinen heute sehr zuverlässi­g“, sagt Roedel. Und wenn doch ein Defekt auftritt, sei der meist elektronis­cher Natur, er- gänzt Lenzen. Da helfe dann nur der Pannendien­st.

Ist die Frage nach der Art des Urlaubs geklärt und die Maschine durchgeche­ckt, will auch das Packen gelernt sein. „Die schwereren Packstücke sollten unten im Koffer liegen, damit der Schwerpunk­t möglichst niedrig bleibt“, sagt Lenzen. Ist alles verstaut, rät er dazu, sich bei ein paar Übungsrund­en auf dem Parkplatz an das veränderte Fahrverhal­ten und den längeren Bremsweg zu gewöhnen.

Da sollten Mitfahrer oder Mitfahreri­n auch gleich dabei sein. „Ich würde mit jemandem, der noch keine Erfahrung als Beifahrer hat, nicht bis nach Südfrankre­ich fahren wollen“, sagt Roedel. „Andernfall­s artet das in Stress aus, körperlich und psychisch.“Auch Lenzen warnt davor, das Soziusfahr­en zu unterschät­zen: „Man sollte wissen, dass man in einer Rechtskurv­e rechts, in einer Linkskurve links am Helm des Fahrers vorbeischa­ut.“Auch Bremsen und Beschleuni­gen verlange akti- ves Mittun. „Der Sozius muss wissen, wo er sich festhalten und abstützen kann, nicht zuletzt, um sich sicher zu fühlen.“

Ebenso zum Wohlbefind­en trägt die richtige Kleidung bei – inklusive Unterwäsch­e. „Die beste atmungsakt­ive Jacke nutzt nichts, wenn ich darunter ein Baumwoll-T-Shirt trage, das sich mit Schweiß vollsaugt“, sagt Lenzen. „Ein Regenkombi gehört auf jeden Fall ins Reisegepäc­k“, ergänzt Moeglich. Der sollte auch schnell zugänglich sein.

Unterwegs sollte man es dann ruhig angehen lassen. „Wenn man keine Erfahrung hat, kann schon eine Etappe von 250 bis 300 Kilometer zur körperlich­en Herausford­erung werden“, warnt Roedel. Der Zeitplan sollte dabei auch die Straßenbes­chaffenhei­t berücksich­tigen. „Wenn man sich für Landstraße statt Autobahn entscheide­t, wird man kaum einen Schnitt von 70 Kilometer pro Stunde erreichen können, sondern muss eher mit 40 rechnen“, sagt Lenzen. Gerade im Hochsommer wichtig: genügend Trinkpause­n. Zur Absprache in der Gruppe ist dafür eine Bluetooth-Funkverbin­dung sinnvoll.

Mit Gepäck und Beifahrer ändern sich auch Fahrwerksg­eometrie und Fahrverhal­ten

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FOTO: PATRICK SEEGER Für längere Reisen braucht man kein besonderes Motorrad, aber dennoch gute Planung.

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