Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wasser sparen: Zu viel des Guten?

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint: Wer zu viel Wasser im Haushalt spart, tut nicht unbedingt viel für die Umwelt. Die Wasserwirt­schaft muss schlecht durchflute­te Rohre spülen, damit sie nicht verstopfen.

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KATJA FISCHER Im Sommer kommt das Thema schnell wieder auf: Wasser sparen. Das geht nicht nur beim Gießen im Garten, sondern auch im Haushalt. Der Umwelt zuliebe sollte man es nicht verschwend­en, gilt der übliche Rat. Allerdings gibt es eine Kehrseite des übermäßige­n Sparens. Die Wasserwirt­schaft muss schon extra Wasser in die Kanäle pumpen, um diese zu schützen. Was ist die Lösung?

Wasser zu sparen, dient derUmwelt. Daher bejaht Laura von Vittorelli die Frage, ob Verbrauche­r weiterhin sparsame Duschköpfe einbauen, EcoProgram­me in Wasch- und Spülmaschi­ne verwenden und beim Zähneputze­n zwischendu­rch den Wasserhahn zudrehen sollten. Sie ist Gewässerex­pertin beim Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND). „Es sollte eine Grundhaltu­ng bleiben, sparsam mit dem Wasser umzugehen.“Dazu kommt, dass sich das auszahlt: Wer weniger Wasser verbraucht, spart.

Ähnlich sieht das Dietmar Sperfeld, Fachrefere­nt der Fachverein­igung Betriebs- und Regenwasse­rnutzung. „Ja, Sparen macht Sinn, wenn es um teures, mit hohem Energieein­satz aufbereite­tes Trinkwasse­r geht. Der Wasserhung­er in Städten und Ballungsrä­umen nimmt stetig zu mit katastroph­alen Folgen für das Umland, dem das Wasser entzogen wird.“In Deutschlan­d gebe es regional starke sammlung hat beschlosse­n, dass es einer speziellen Hausordnun­g nicht bedürfe – es genüge der Hinweis, dass „die gesetzlich­en Regelungen“gelten. Das Amtsgerich­t Berlin-Charlotten­burg entschied: Jeder Eigentümer dürfe das Sonderund Gemeinscha­ftseigentu­m nur insoweit gebrauchen, dass dadurch keinem anderen Eigentümer ein Nachteil entstehe. Die Spezifikat­ion dieser Grundregel müsse dann in der Hausordnun­g im Einzelnen ausgearbei­tet werden. (AmG Berlin-Charlotten­burg, 73 C 33/16) Schwankung­en des Wasserange­bots, bedingt durch den Klimawande­l seien zusätzlich neue Herausford­erungen zu erwarten.

Die zunehmende Trockenhei­t und vor allem Starkregen bringen das konvention­elle System schnell an seine Grenzen. Oberflächl­ich abfließend­es Regenwasse­r sorgt nicht dafür, dass die bereits abgesunken­en Grundwasse­rleiter aufgefüllt werden.

In Deutschlan­d wird immer weniger Wasser verbraucht. Waren es 1990 im Bundesdurc­hschnitt noch 147 Liter pro Einwohner und Tag, sind es nun nur noch 123 Liter. „In den neuen Bundesländ­ern liegt der Verbrauch sogar unter 80 Liter pro Einwohner und Tag“, sagt Martin Weyand vom Bundesverb­and Energie- und Wasserwirt­schaft.

Das ist inzwischen so wenig, dass durchaus schon mal zu wenig Abwasser in die Kanäle gelangt. „Irgendwann ist der Zeitpunkt erreicht, dass das Wasser zu langsam fließt oder sogar zum Stillstand kommt“, erklärt Weyand. „Das kann zu Verkeimung­en und sogar zu Kanalfraß führen, wenn Säuren und Dämpfe den Beton angreifen.“Um das zu verhindern, müssen die Wasserbetr­iebe ihre Abwasserka­näle spülen. Und die Kosten dafür werden auf die Kunden umgelegt. „Auch aus hygienisch­er Sicht macht allzu ambitionie­rtes Wasserspar­en wenig Sinn“, meint Weyand. Die Industrie entwickelt immer sparsamere Hausgeräte und Armaturen. „Auch hier ist irgendwann eine Grenze erreicht“, so Weyand. „Dann reicht das wenige Wasser nicht mehr aus, um die Wäsche vollständi­g zu spülen. Und beim Duschen mit dem super zerstäubte­n sparsamen Wasserstra­hl können sich Krankheits­erreger ausbreiten.“

Das Fazit des Branchenve­rtreters: In Deutschlan­d werden nur 2,7 Prozent der Wasserress­ourcen für die öffentlich­e Versorgung eingesetzt. „Die Gefahr, dass wir diese Quellen übernutzen, besteht nicht“, versichert Weyand. „Das Wasser, das gebraucht wird, gelangt in den Kreislauf zurück. Wir haben genügend davon, und niemand muss auf etwas verzichten.“Und BUND-Expertin Laura von Vottorelli rät: „Statt auch noch den letzten Liter einzuspare­n, sollten die Menschen ihren Lebensstil überdenken.“ Immobilien&Geld

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FOTO: TMN Wie viel Wasser soll man im Alltag sparen – und wann wird es zu viel für die Infrastruk­tur?
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FOTO: FARYS/BDEW Martin Weyand, Hauptgesch­äftsführer für den Bereich Wasser/ Abwasser des Bundesverb­andes Energie- und Wasserwirt­schaft

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