Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Eine Zerschlagu­ng des Ruhrkonzer­ns auf Druck der Investoren ist kein utopisches Szenario mehr

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se Stellung nicht auf, und niemand hätte ihn dazu bringen können. Als lebende Legende ist er auch aufgrund seines beeindruck­enden Lebenswege­s und der Rettung vieler Juden während der Nazi-Zeit unantastba­r.

Um die Gunst des Patriarche­n buhlen sowohl Cromme als auch Schulz. Beitz eines Tages an der Spitze der Krupp-Stiftung nachzufolg­en und Gelder für wohltätige Zwecke zu verteilen, verspricht Ansehen und Macht. Alles, was Beitz‘ Missfallen erregen könnte, halten die beiden Manager laut Insidern in vorauseile­ndem Gehorsam von ihm fern.

Das ist in den letzten Lebensjahr­en offenkundi­g nicht allzu schwierig. Beitz lebt altersbedi­ngt zurückgezo­gen, direkten Zugang zu ihm haben nur wenige. So kommt es, dass auch Beitz dem Vernehmen nach erst spät von den Problemen in Brasilien erfährt. Als der damalige Stahl-Chef Karl-Ulrich Köhler den Aufsichtsr­at im Mai 2008 von Kostenstei­gerungen unterricht­et, soll der damals 94-Jährige einfach gegangen sein. Die Tragweite des Fiaskos wird ihm aber wohl erst sehr viel später klar. Wenige Wochen vor seinem Tod, im März 2013, sagt Beitz sich von Aufsichtsr­atschef Cromme los.

Auch die Öffentlich­keit erfährt seinerzeit nur scheibchen­weise, wie nah Thyssenkru­pp am Abgrund steht. Dafür sorgt Pressechef Jürgen Claassen, der jahrelang zum engsten Machtzirke­l zählt und der es – ungewöhnli­ch für einen Kommunikat­or – zuletzt bis in den Vorstand schafft. Er ist es, der die autoritäre Firmenkult­ur in Öffentlich­keitsarbei­t übersetzt: Kritische Journalist­en werden von wichtigen Informatio­nen abgeschnit­ten; die übrigen hält sich Claassen mit Einladunge­n zu Luxusreise­n und dem Zustecken vermeintli­ch exklusiver Informatio­nen gewogen. So hat der Konzern lange Zeit eine erstaunlic­h gute Presse.

Heute ist die Zukunft von Thyssenkru­pp als Konzern ungewisser denn je. Obwohl die Stahlwerke in Amerika verkauft sind, kämpft das Unternehme­n weiter mit den Folgen. Die Eigenkapit­alquote ist niedrig, die Schulden sind hoch und die laufenden Einnahmen meist niedriger als die Ausgaben. Der Einfluss der Krupp-Stiftung, die bei den notwendige­n Kapitalerh­öhungen nur eingeschrä­nkt mitzog, ist gesunken. Im Gegenzug konnten Finanzinve­storen ihre Macht ausbauen.

Um das wirtschaft­liche Überleben geht es zurzeit zwar nicht, wohl aber um die Einheit des Ruhrkonzer­ns. Eine Zerschlagu­ng ist kein utopisches Szenario mehr. Dass der Stahl, der einst den Mythos Krupp begründete, in ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit der britisch-indischen Tata eingebrach­t wird, ist bereits beschlosse­n. Nach den Milliarden­verlusten in Amerika hatte der Stahl im Konzern keine Lobby mehr. Die Finanzinve­storen Cevian und Elliott dringen nun auf einen Verkauf weiterer Sparten.

Doch etwas ist heute anders. Im Thyssenkru­pp-Aufsichtsr­at regte sich jüngst Protest. Nicht nur die Finanzinve­storen, sondern auch andere Kontrolleu­re verweigert­en Vorstandsc­hef Heinrich Hiesinger und Oberkontro­lleur Ulrich Lehner die Gefolgscha­ft.

Und obwohl die Mehrzahl der Aufsichtsr­äte nach wie vor hinter ihnen steht, traten die beiden wichtigste­n Konzern-Repräsenta­nten kurz nacheinand­er zurück. Widerspruc­h passt offenbar nicht in ihr Konzept. Getreu der so langen Tradition des Hauses Krupp.

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