Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
In einer Endlos-Schleife hat Castorf den Roman durch den Reißwolf gejagt
bliebenen – es gibt zahlreiche Abwanderungen – erschöpfter Jubel Bahn. In einer Endlosschleife hat Castorf erneut Romanstoff durch seinen Dekonstruktions-Reißwolf gejagt, neu verquirlt und üppig angereichert mit bewährten Mitteln: den sich entäußernden und zugleich Ironie-gestählten Schauspiel-Stars seiner gloriosen Volksbühnen-Mannschaft, dem suggestiven Einsatz von Musik zwischen Schubert, Hawaii-Film und Freejazz und raffiniert arrangierten Live-Filmeinspielungen.
Mit Knut Hamsun knöpft Castorf sich einen heiklen Romancier vor, der den Nazis nahestand, Hitler verehrte und später für sein Mitläufertum hart belangt wurde. Im titelgebenden „Hunger“irrt ein mittelloser Journalist hungernd durch Oslo, in „Mysterien“trägt der reich gewordene Protagonist einen kanariengelben Anzug und ist nun nicht mehr auf der Suche nach Eßbarem, sondern nach Liebe und Sinn.
Aleksandar Denic hat auf die Drehbühne ein genial verschachteltes Holzhaus gebaut, das eine muffige Dachwohnung, ein Schreibbüro, eine Veranda und eine McDonald’s-Küche und eine große Leinwand zur Übertragung der Live-Videos bietet. Das Ganze ist garniert mit Nazi-Verweisen, wie etwa dem Schriftzug der Germanske SS Norge oder einem „Carlsberg“-Schild mit Hakenkreuzen. „Swastika, Swastika!“kreischt dann auch gleich zu Beginn Marc Hosemann, der als Hungernder hetzt, kriecht, schreit und versucht, seinen eigenen Zeigefinger zu verspeisen. Später teilen sich alle weiteren sieben Darsteller die Identität des „Mysterien“-Helden und sprechen gelegentlich mit sich selbst im Konjunktiv. Castorf betreibt eine Art orgiastische Teufelsaustreibung, die Hamsun keineswegs rehabilitiert, aber ihn hochinteressant macht für weitere