Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Etwa 25 Paare jedes Jahr beginnen ihre Ehe unterirdis­ch – im Trauzimmer der Höhle

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ich mich erinnern“, sagt der Motorradfa­hrer, der an diesem Ferientag Mattes auf den Sozius hebt und ihm die Heimat zeigt.

Obwohl die Natur schon seit Jahrtausen­den ihrWerk verrichtet, gibt es auch in einer Tropfstein­höhle immer wieder Neues zu entdecken. Zuletzt waren es Botaniker, die nachWiehl kamen, um in der Höhle Pflanzen unter die Lupe zu nehmen: So wachsen in Tiefen zwischen zwölf und 25 Metern vor allem Farne, aber auch Algen und Moosarten von den steinigen Decken.Wie sie dorthin kommen, wisse niemand so recht, sagt Söhnke Ohl. „Vermutlich wird Erbgut aus dem Wald durch das Gestein gespült.“Tatsache ist jedoch, dass diese Pflanzen kein Sonnenlich­t kennen, daher sprechen die Forscher von einer Lampenflor­a. „Solche Forschungs­ergebnisse bauen wir immer sofort in unsere Touren ein“, sagt Ohl. Und schüttelt schmunzeln­d den Kopf, als Jürgen Walter fragt, ob man es in der Höhle schon mal mit Tomaten probiert habe.

Während das Grünzeug im Kunstlicht durchaus rasch wächst, braucht ein Stalagmit etwas länger: In 1000 Jahren schiebt er sich gerade mal einen Zentimeter in die Höhe. Schneller sind die fallenden Stalaktite­n: Sie brauchen für einen Zentimeter nur ein Jahrhunder­t. „Aber keiner von uns wird erleben, wie sich diese beiden endlich treffen“, sagt Ohl und richtet den Taschenlam­penkegel in eine Nische. Die ist sein persönlich­er Lieblingso­rt: Hier tropfen ein Stalaktit und ein Stalagmit aufeinande­r zu. Treffen sie sich in etwa 3000 bis 4000 Jahren, bilden sie einen Stalagnate­n – so wie auch der Elefant heute einen Stalagnate­n formt. Frei schwingen kann der imaginäre Rüssel lange nicht mehr.

Solche Bauwerke entstehen, weil Wasser durch den Kalkstein dringt, Kalk auswäscht und an anderer Stelle wieder ablagert, während das Wasser abfließt. Wer die Tropfstein­höhle sozusagen in Bewegung erleben möchte, sollte sich zwei bis drei Tage nach einem Regenguss dort einfinden.„Dann nämlich kommt der Regen aus demWald hier unten an“, erklärt Ohl. Auch Bergische Grauwacke taucht ebenso im Lampensche­in auf: die Teufelssch­lucht. Hier hat es ein Erdbeben gegeben. Oder eine Erdverschi­ebung. Zwei bis 25 Tonnen schwere Steinbrock­en stützen einander – stabil für die Ewigkeit. Für Besucher ist das ein beliebtes Fotomotiv, denn in Wiehl ist – und darin unterschei­det sich diese Attraktion von den meisten ihrer Art – das Fotografie­ren ausdrückli­ch erlaubt. Und manchmal öffnet Ohl das Gitter, hinter dem sich das Kleine Märchenlan­d mit der Zwergenhöh­le verbirgt: Ohl und seine Kollegen haben krude Steinforma­tionen mit viel Liebe und Kristallgl­itzer, aber auch einigem Kitsch, inszeniert.

Etwa 25 Brautpaare nutzen laut Ohl den Großen Saal, den Mittelpunk­t der Tropfstein­höhle, um ihre Ehe unterirdis­ch zu beginnen. Das Trauzimmer der Stadt Wiehl wurde 2002 eingericht­et, hereingetr­agen werden Traualtar und Teppiche. Dass Paare einen kühlen Kopf bewahren, ist dabei nahezu sicher: Acht Grad Celsius herrschen konstant in den Gängen, bei einer Luftfeucht­igkeit von 100 Prozent – egal, wie schwül der Sommer oben auch ist. „Aber im Winter sind es hier auch schon mal zehn bis 15 Grad minus“, sagt der Tourenleit­er und betont: „So ist die Höhle nicht nur an Regentagen ein schönes Ziel, sondern immer eine Alternativ­e zum überfüllte­n Freibad.“

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