Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Baumeister der Schausteller
Der Familienbetrieb Bierewirtz konstruiert Spezial-Fahrzeuge auch für Schausteller, die auf dem Neusser Rummel vertreten sind.
NEUSS Das große Vergnügen auf der Kirmes soll sich schnell auf- und wieder abbauen lassen – und bei der Reise zum nächsten Rummel möglichst wenig Platz wegnehmen. Felix Bierewirtz kennt die Anforderungen, die Schausteller stellen, ganz genau. Der Ingenieur entwickelt Lösungen speziell für die Kirmesmacher – von ganzen Fahrgeschäften bis hin zu Transportern. Der 28-Jährige ist einer von drei Geschäftsführern, die an der Spitze des Betriebs „Gloria Fahrzeugbau Bierewirtz“stehen. Zu dem Familienbetrieb zählen auch sein Vater Paul-Josef Bierewirtz und sein Onkel Johannes Bierewirtz sowie rund 30 weitere Mitarbeiter.
Obwohl das Unternehmen seinen Sitz in Grevenbroich hat, ist es eng mit der Stadt Neuss verbunden. „Wir selbst sind im Schützenwesen aktiv – und ein Besuch auf der großen Neusser Kirmes gehört für uns einfach dazu“, sagt Felix Bierewirtz. Die Fahrzeugbauer achten dabei wohl vor allem auf Dinge, denen die meisten Kirmesbesucher eher wenig Beachtung schenken: auf die Transporter der Schausteller und auf Konstruktionsdetails bei deren Fahrgeschäften. „Wir pflegen auf der Kirmes auch immer einige gute Kontakte“, sagt Bierewirtz, der auf der Neusser Kirmes in den vergangenen Jahren schon so manches Fahrzeug wiedererkannt hat, das irgendwann einmal vom Hof des Grevenbroicher Familienbetriebs gerollt ist.
„Unsere Fahrzeuge sind in ganz Deutschland unterwegs“, bringt es Vater Paul-Josef Bierewirtz auf den Punkt. Vor Kurzem ist er auf einem Kirmesplatz am Bodensee „fündig geworden“, hat dort einen Wagen „made in Grevenbroich“entdeckt. „Das macht einen natürlich schon ein bisschen stolz.“Wenn SpezialFahrzeuge für Schausteller auch nur etwa ein Drittel des gesamten Geschäfts ausmachen, so sind die Mitarbeiter Kirmeswagen-Bauer aus Leidenschaft: „Wir stehen mit vielen Schaustellern in Kontakt und ermöglichen das, was sie brauchen.“
Seit 1980 sind die Grevenbroicher in dem Segment aktiv, mit der Konstruktion einer kompletten Autoskooter-Halle samt Transporter haben sie das erste Großprojekt im Jahr 1999 gemeistert. „Das Besondere an dem Autoskooter ist, dass er sich rasch mit nur zwei Menschen aufbauen lässt“, erzählt Paul-Josef Bierewirtz, der um die immer kürzer werdenden Standzeiten und die immer knapper werdenden Personalkapazitäten bei Schaustellerbetrieben weiß. Alles muss sich zügig aufbauen und vor allem platzspa- rend wieder verpacken lassen.
Überhaupt gilt es für die Fahrzeugbauer immer wieder, Raumprobleme zu lösen. Vor einigen Monaten haben sie beispielsweise einen Kassen-Chaisen-Wagen für einen Autoskooter-Betrieb konstruiert. „Das ist ein Wagen mit Autoskooter-Kasse, Aufenthaltsraum, sanitären Anlagen, einer Werkstatt und einem Aufzug-System zur Verladung von 27 Chaisen“, erklärt Felix Bierewirtz, der jedes Fahrzeug mit Hilfe eines 3D-Systems am Computer digital entwickelt und sozusagen „vorkonstruiert“– stets unter Berücksichtigung hydraulischer, elektrischer sowie pneumatischer Aspekte.
Durch den sogenannten „Schausteller-Erker“, also einem ausfahrbaren Raum-Teil, gewinnt der Wagen an Platz. Und auch sonst steckt jede Menge Hightech darin: Der Wagen lässt sich beispielsweise per Fernsteuerung ohne Zugmaschine fahren. „Die Fahrzeuge und Anhänger müssen auf der Kirmes häufig in sehr enge Bereiche hineinmanövriert werden. Daher rüsten wir Wagen mit speziellen Hydrauliksystemen aus, so dass sie quasi al- leine fahren können“, sagt er. Rund zehn Monate dauert die Konstruktion eines solchen Kirmesfahrzeugs. Der Kostenpunkt? „Das kommt ganz auf die Ausstattung an“, sagt Paul-Josef Bierewirtz, der mit dem Preisvergleich zu einer Eigentumswohnung oder einem kleinen Einfamilienhaus jedoch deutlich macht, in welche Richtung es geht.
Der 63-Jährige berichtet von einem weiteren Großprojekt, das vor Kurzem abgeschlossen werden konnte: der Bau eines „rollenden Steakhauses“, das – brandneu – auch auf der Neusser Kirmes vertreten ist. Die Grillhütte, der Autoskooter – diese Kirmesgeschäfte zählen im Vergleich allerdings zu den „kleineren Fischen“auf großen Festplätzen wie dem zum Neusser Schützenfest. „Wir haben auch schon Fahrzeuge für Schausteller gebaut, die Riesenräder, Karussells, Geisterbahnen, Raupen und Achterbahnen betreiben“, nennt Paul-Josef Bierewirtz einige Beispiele. Vor einigen Monaten hatten die Grevenbroicher die größte Krake Deutschlands samt Transportfahrzeug auf dem Hof: „Wir haben alle sicherheitsrelevanten Bauteile überholt und neue Lenkachsen eingebaut.“
Gefragt seien insbesondere mit Blick auf Fahrmanöver an Engstellen Lenkachsen, die zwangsweise mitlenken und sich manuell noch weiter einschlagen lassen – eine „Spezialität“der KirmeswagenKonstrukteure, die gerade im Winter viel zu tun haben. „Pünktlich
zum Start der Kirmessaison muss alles fertig sein“, betont Felix Bierewirtz, der in den vergangenen Jahren auch schon eine geländegängige XXL-Hebebühne für den Einsatz im Braunkohlentagebau und Spezialfahrzeuge etwa mit Ladekränen entwickelt hat. Bei aller Routine: Auf bereits vorhandene Baupläne kann er bei Kirmeswagen zwar zugreifen.
„Aber die Kundenansprüche sind alle sehr unterschiedlich. Die Fahrzeuge müssen immer zum jeweiligen Betrieb passen und den Anforderungen entsprechend geplant werden.“
Vor wenigen Tagen erst haben zwei extralange Auflieger für einen Riesenrad-Schausteller den Hof des mehr als 265 Jahre bestehenden Familienbetriebs verlassen. „Diese sind so gebaut, dass sie ohne weiteres 50 Jahre halten dürften“, sagt Felix Bierewirtz. Die Auflieger müssen so robust gebaut werden – „immerhin sind da große Kräfte am Werk.“Jetzt werden sie die Waggons eines in Kirmeskreisen bekannten Riesenradbetriebs von Kirmes zu Kirmes transportieren.
Vielleicht werden die SpezialFahrzeuge auch mal in Neuss zu sehen sein. Familie Bierewirtz wird auf jeden Fall nach ihnen Ausschau halten. Ihre Einschätzung zur Neusser Kirmes? „Die Atmosphäre ist eine ganz besondere. Und es ist eine hochwertige Kirmes mit vielen attraktiven Fahrgeschäften“, sagt Felix Bierewirtz.