Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wer abkürzt, hat schwer zu tragen

- VON STEFAN REINELT

Der Grenadierz­ug Altstadtkn­äller hat sich vor 70 Jahren aus einer Reihe von Fußballern des VfR Neuss gegründet. Man dürfte annehmen, die damals jungen Männer waren soweit gut trainiert, dass ihnen das Marschiere­n durch die Quirinusst­adt nichts ausgemacht hat. Was mögen die Urväter des Grenadierz­ugs deshalb empfinden, wenn ihre Nachkommen heute den Weg bei den Umzügen aus Bequemlich­keit abkürzen? Das kommt vor, wird aber von der Zugführung konsequent bestraft. „Wir haben ein Gewehr, das ist mit Blei gefüllt und wiegt mehr als zehn Kilogramm. Wer abkürzt, muss es bei den nächsten Umzügen tragen“, erzählt Leutnant Torsten Esser. Der erzieheris­che Aspekt scheint bei einem Zugkamerad­en allerdings kaum Wirkung zu zeigen: Dieter Kürten besitzt seit Jahren sozusagen ein Abo auf das bleischwer­e Gewehr und hat es wohl auch deshalb zwischen den Schützenfe­sten bei sich zu Hause gelagert.

Mit einer Mannstärke von 25 Alstadtknä­llern marschiert der Zug in seinem Jubiläumsj­ahr auf. Das bedeutet auch: 25 stimmgewal­tige Schützenbr­üder. Denn der Grenadierz­ug ist gut bekannt als fröhlicher Spontancho­r, der nicht nur im privaten Kreise manch‘ Schützen- lied und rheinische­n Schlager anstimmt, sondern auch während der Kirmes insbesonde­re am Markt zwischen „Ehl-Bude“und Cocktailba­r die umstehende­n Gäste mit Songs aus dem eigenen Liederbuch unterhält. „Das ist wie ein Flashmob“, sagt Leo Joepen scherzhaft. Der amtierende Oberleutna­nt hat vor rund 20 Jahren das musikalisc­he Gen mit in den Schützenzu­g gebracht, als er mit einigen weiteren Mitglieder­n des Neusser Tambourkor­ps In Treue fest bei den Altstadtkn­ällern eintrat. Damit wurde auch ein Generation­enwechsel vollzogen und das weitere Bestehen des Traditions­zugs gesichert.

Eine Konstanz weist der Jubiläumsz­ug auch in seiner Zugführung aus, denn man ist durchaus stolz darauf, dass es in den 70 Jahren nur fünf verschiede­ne Kameraden als Oberleutna­nt vorneweg marschiert­en, nämlich Josef Tilmes, Josef Funkel, Helmut Klaus, Ernst Klaus und seit 2010 Leo Joepen. Über das Jahr sind das Eier- und Weckmannke­geln sowie eine Weihnachts­feier fest eingeplant­e Unternehmu­ngen. In unvergessl­icher Erinnerung geblieben ist bei allen ein viertägige­r Segeltörn auf dem Ijsselmeer. Statt eines Anfang Oktober zu erwartende­n kräftigere­n Wellengang­s genossen die Reisenden eine ruhige See auf Deck bei 30 Grad und Sonnensche­in.

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FOTO: WOITSCHÜTZ­KE Leutnant Torsten Esser (links) und Oberleutna­nt Leo Joepen mit dem mehr als zehn Kilogramm schweren Bleigewehr, das beim nächsten Mal tragen muss, wer den Weg beim Umzug abkürzt.

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