Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Rückkehr der süffigen Sünde

Der ehemalige Stenograf im Düsseldorf­er Landtag und heutige Biersommel­ier Michael Roeßgen braut in Pulheim das kölnische Knupp-Bier. Ausgeschen­kt wird es in der Craftbeer Corner in der Kölner Altstadt.

- VON STEPHAN EPPINGER

KÖLN. Als im 17. und 18. Jahrhunder­t das Kölner Stadtgebie­t noch an den Ringen endete, gab es im Schatten des Doms kein Kölsch. Für durstige Kehlen fand sich in der Stadt das helle Keut oder das leichte Wieß – der unfiltrier­te Vorgänger des heutigen Kölsch. Doch nicht jedem Kölner schmeckten damals diese Bierstile.

Doch es gab Abhilfe, vor den Stadttoren wurden in Baracken das kräftige und alkoholrei­che kölnische Knupp-Bier gebraut – eine dunkle Bierspezia­lität, die an das britische Porter erinnert. Gerne gesehen war das starke Knupp bei den Stadtobere­n nicht – in der Stadt war es verboten und die Kölner durften laut mehreren Ratsbeschl­üssen auch nicht zum Trinken in die Bara-

„Ich habe mit dem Radsport aufgehört und hatte plötzlich sehr viel Zeit.“

Michael Roeßgen

Brauer

cken gehen. Städtische­n Angestellt­en drohte sogar die Entlassung, wenn sie das Knupp tranken. Gebracht haben die Verbote eher wenig, weshalb sie immer wieder neu aufgelegt wurden.

Gründe dafür waren die Stärke des Bieres und wohl auch die Tatsache, dass es günstiger war, als das besteuerte Bier in der Stadt. Gebraut und ausgeschen­kt wurde es am Bayenturm, an Melaten, in Nippes und am Judenbüche­l. Auch im damals noch selbststän­digen Mülheim war das Knupp beliebt. Möglicherw­eise erreichte der Bierstil sogar Düsseldorf und könnte dort ein Vorgänger des heutigen Altbiers gewesen sein.

Jetzt kehrt das Knupp als „Süffige Sünde“wieder zurück und darf nun auch ganz legal in der Kölner Altstadt getrunken werden. Gebraut wird es aber immer noch vor den Toren der Stadt – in Pulheim-Orr, wo die Heinenhof Mikrobraue­rei von Biersommel­ier und Brauer Michael Roeßgen ihren Platz in einem alten großen Bauernhof gefunden hat. Entdeckt hat er den alten Braustil mit der Hilfe des Vorsitzend­en der Kölner Bierhistor­iker, Jürgen Knoke – dem Experten in Sachen Knupp.

Allerdings mussten zunächst Hürden überwunden werden, denn das Biergesetz erlaubt nur bestimmte Zutaten beim Brauen – bei untergärig­em Bier ist das eigentlich nur Gerste. Dagegen sind im Knupp Ha- fermalz, Weizenmalz sowie nicht vermälzte Gerste und Kräuter als Zutaten vorgesehen. Im neuen Knupp aus Pulheim wird als „Kraut“Süßholzwur­zel eingesetzt. „Man kann aber eine Ausnahmege­nehmigung beantragen und muss dann das Produkt als ‘besonderes Bier’ bezeichnen“, erklärt Roeßgen.

Bevor er Brauer wurde, hatte Roeßgen als Stenograf im Düsseldorf­er Landtag und beim Deutschlan­dfunk gearbeitet. Außerdem war er Radsportle­r und holte 2012 bei der Deutschen Meistersch­aft in seiner Altersklas­se den elften Platz. Zuvor war der gebürtige Bochumer beim Badminton aktiv. „Irgendwann wollte ich mit dem aktiven Radsport aufhören und bin zudem in Altersteil­zeit gegangen. So hatte ich auf einmal sehr viel freie Zeit zur Verfügung.“Zum Brauen kommt er unter anderem durch einen Bekannten aus dem Radsportve­rein in Pulheim, der früher als Brau- und Mälzergese­lle bei Sester gearbeitet hatte. „Armin Walter hat von seinem Beruf immer geschwärmt. Außer- dem hatte ich einen Fernsehfil­m gesehen, bei dem es darum ging, wie gut das deutsche Bier noch ist. Alles zusammen hat mich dazu bewogen, mir ein Starterkid zum Brauen mit ein paar Töpfen sowie Zutaten im Internet zu bestellen.“

Der erste Brauversuc­h brachte ein Kölsch ans Tageslicht, dem allerdings noch die Kohlensäur­e fehlte. „Ich hatte das Aufkarboni­sieren vergessen, bei dem Speise zugegeben werden muss. Das ist eine zurückgest­ellte Würze. Geschmeckt hat mir das eigene Bier trotzdem und beim zweiten Versuch hat es dann auch richtig geklappt“, erinnert sich Roeßgen. 65 Sude später kommt der Entschluss, eine eigene Brauerei zu gründen. Damit wird der Ausstoß von 20 bis 40 Litern auf gut 450 Liter erhöht und die Ausrüstung zum Brauen deutlich verbessert. Dazu gehören auch spitz nach unten zulaufende Gärtanks, in denen verschiede­ne Temperatur­en genau eingestell­t werden können.

Inzwischen werden in PulheimOrr fünf verschiede­ne Bier gebraut. Vier davon laufen unter dem Label Mikrobraue­rei Heinenhof. Dazu gehören die regionalen Bierstile wie das Heinenhofe­r – ein Landkölner Wieß, und das kölnische Knupp. Lokal sind die Bierstile, die früher auf Bauernhöfe­n als Arbeitstru­nk für die Feldarbeit­er produziert worden sind. Diese waren aber leichter als die heutigen Biere. Dazu gehört das Saison mit dem Namen Roter Korsar – ein belgischer Bierstil – und das Schäselong – ein Bière de Garde, das sonst in Nordfrankr­eich gebraut wird. „Der Name kommt von der Stärke des Bieres, das man lieber auf dem Sofa trinken sollte, wo man sich zurücklehn­en kann“, sagt Roeßgen schmunzeln­d.

Das fünfte Bier läuft unter dem Label CCC – Craftbeer Creations Cologne. Dort werden die Biere der Kölner Bierhistor­iker vermarktet. Aktuell ist hier das Double IPA Rheinische Felder angesagt – eine Hommage an ein berühmtes US-amerikanis­ches DIPA der Russian River Brewing Company. „Da sind Unmengen Hopfen drin – es schmeckt aber gut, wenn es auch gut gebraut ist.“

Vertrieben wird das DIPA über die Craftbeer-Shops in der Region wie dem Kölner Bierlager in der Südstadt. Die anderen Biere werden über den Hofladen vor Ort vermarktet. Die „Süffige Sünde“– das Knupp-Bier – gibt es exklusiv im Ausschank bei der Craftbeer Corner an der Martinstra­ße gegenüber des Gürzenichs. Außerdem wird es direkt in der Brauerei im Heinenhof gegenüber des Ritterguts in Orr beim „Open Tap“jeden zweiten Freitag im Monat von 16 bis 20 Uhr ausgeschen­kt. Dort werden auch Brausemina­re und Verkostung­en angeboten.

Das nächste Bier hat Roeßgen schon im Blick: „Meine Frau ist Dortmunder­in und dort gab es den Adam – ein sehr mächtiges Bier mit zehn Prozent. Es wird zwei Jahre in Rotweinfäs­sern gelagert. Früher musste man nach dem ersten Humpen einmal um den Block laufen, bevor es den zweiten gab“, erklärt der 61-Jährige.

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FOTO: STEPHAN EPPINGER Der Brauer Michael Roeßgen mit seinem kölnischen Knuppbier vor seiner Brauerei in Pulheim. Dort entstehen mehrere Biersorten, die an bestimmten Tagen auch vor Ort probiert werden können.

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