Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Nach 15 Minuten ist klar, dass dieser Abend in flachgeistige Leere abdriftet
Doch es hilft nichts. Nach einer Viertelstunde ist klar, dass der Abend, der als Satire auf die Prenzlauer-Berg-Bohème und als fiese Farce auf das alle Lebensbereiche erfassende Stasi-Syndrom gedacht war, in flachgeistige Leere abdriftet und in schenkelklopfende Blödelei endet. Stöß und Hausmanns dürfen es sich in einem Stasi-Büro unter dem Bild vom Genossen Honecker gemütlich machen und überlegen, wie man aus der Kultur-Avantgarde eine Keimzelle des Sozialismus machen könnte. Biedere Beamten for- men sie zu langhaarigen Lyrikern, die lernen müssen, Songs der Rolling Stones (“You can’t always get what you want“) zu singen, subkulturelle Feten zu verwanzen und, wenn’s denn sein muss, die Hosen runterzulassen und mit nackten Po ein Gedicht von Sascha„Arschloch“Anderson zu deklamieren.
Sir Henry (Piano) und Hermann Herrmann (Gitarre) hocken in einer Kneipe und sorgen mit schrägen DDR-Schlagern für einen atonalen Sound-Teppich. In der Berliner Mietskaserne, die langsam aus dem Bühnenboden emporwächst und sich mit unzähligen Zimmern zu drei Stockwerken auftürmt, könnte – immerhin dauert alles dreieinhalb Stunden – einiges passieren.
Tut es aber nicht. Rasender Stillstand. Immer wieder werden Künstler-Posen probiert, Herrentäschchen geschwungen, Schreibmaschinen traktiert und Akten angelegt. Gemeinplätze gibt es („Besser eine gute Lüge als eine beschissene Wahrheit“) und die tolldreiste Erkenntnis, dass es doch ganz gemütlich gewesen ist im Stasi-Paradies. Haußmann ist von seinen genialen Dilettanten so berauscht, dass ein Film und ein Roman folgen sollen. Muss das sein?